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Roland Fakler

Der Reustener Recycling-Turm

Der Reustener Recycling-Turm

Dorfhistoriker glauben, dass der Turm der Kelterkirche vom Berg stammt

Tagblatt 2004_07_10

Mario Beißwenger

1705Stierlin_NSEG_Zustand1600-16051705 malte der Kartograph Stierlin diesen schematischen Blick auf Reusten. Die Bergkirche hat dabei ein Kirchturmdach ganz ähnlich wie die erst 1760 eingeweihte heutige Kelterkirche im Tal. Schwer zu erkennen – im Falz der Karte – ist ein Wehrturm, dessen Reste wohl erst vor kurzem beseitigt wurden.

(Inzwischen wissen wir dass Stierlin eine Karte aus dem Jahr 1605 kopiert hat. )

REUSTEN (bei). Die Kirchengemeinde Reusten macht am Sonntag ihre Hocketse und verabschiedet die langjährige Mesnerin Ursula Bühler. Festbesucher können bei dieser Gelegenheit auch erfahren, woher der Turm der Kirche kommt.

Dass die Kirchengemeinde feiert, nehmen Jürgen Parchem und Roland Fakler zum Anlass, ihre jüngsten Forschungen zur Lokalgeschichte vorzustellen. Die Hobby-Historiker glauben Belege dafür zu haben, dass der Turm der Reustener Kelter-Kirche recycelt ist. Vorher soll er die Kirche auf dem Bergfriedhof geziert haben.

Hinweise darauf stehen schon in der Ortschronik, von Paul Gros aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Parchem und Fakler durchforsteten daraufhin alte Land­ karten. Da damals Ortsdarstellungen recht bildhaft waren, wollten sie sehen, ob die Kirchtürme vergleichbar sind. Auf den zwei älteren Kartenbildern aus dem 16. und 17. Jahrhundert trägt die Bergkirche allerdings ein Satteldach. Nur die jüngste Karte von 1705 zeigt den Kirchturm dann mit Spitzdach ganz ähnlich wie das Dach der heutigen Kirche.

Dann inspizierten die Ortshistoriker zusammen mit Mesnerin Ursula Bühler noch den Dachstuhl. Für Fakler finden sich dort ganz eindeutige Spuren: „Dieser Turm wurde schon mal benutzt.“ Zu Zeiten als Baumaterial noch kostbar war, wurden Balken und Mauersteine immer wieder verwendet. Es ist also wahrscheinlich, dass auch die Reustener gespart haben, als die Kirche Ende des 18. Jahrhunderts ins Dorf in die vorherige Kelter verlegt wurde. Dabei könnten sie auch die Konstruktion übernommen haben.

Im Dachgebälk stolperten die beiden noch über ein weiteres Fundstück: die Weihe-Tafel für die Kelterkirche aus dem Jahr 1760. In güldenen Lettern steht auf Holzgrund die lateinische Inschrift. Nichts fürs einfache Volk.

„Die haben das damals ja gar nicht lesen können“, empört sich Fakler. Damit sich das nicht wiederholt hat er sein Schullatein entstaubt und den Inhalt für heutige Kirchgänger übersetzt.

Und dann entdeckten Fakler und Parchem auch noch einen früheren Wehrturm. Kurz vor dem Abriss! Ihrer Meinung nach steckte der Sockel des Gebäudes in der jüngst abgebrochenen Scheuer in der Altinger Straße. Die Hinweise darauf waren ganz eindeutig. Im älteren Gemäuerteil der Scheuer waren nämlich Schießscharten.

INFO Die Hocketse bei der Reustener Kirche beginnt mit einem festlichen Gottesdienst um 10 Uhr. Dann wird mit Speisen, Getränken und Spielen für Kin­ der unterhalten. Wer Geld für eine Ver­ steigerung nach amerikanischer Art mitbringt, hilft zusätzlich die Kasse der Kirchengemeinde aufzubessern, die ei­ ne neue WC-Anlage bauen will.