Zehntscheuer Geschichte
Geschichte von Zehntscheuer und Zehntsteuer ~800- 1852
Die Zehntabgabe ist eine uralte Steuer, die entweder in Form von Geld oder häufiger von Naturalien an geistliche oder weltliche Herren geleistet wurde. Diese Steuer gab es schon vor über 3000 Jahren in verschiedenen Kulturen. Man findet sie im Alten Testament, in Ägypten und in Babylon. Sie wurde im 8. Jahrhundert im „Christlichen Abendland“ eingeführt und konnte zwischen 10 und 30 Prozent betragen.
In der Zehntscheuer wurde die Zehntsteuer, die meist aus Feldfrüchten bestand, vor allem aus Getreide, Wein, Öl… gesammelt und schließlich an den Dorfherren abgeliefert. Der Dorfherr von Reusten war seit 1293 das Kloster Bebenhausen, bzw. der Abt des Klosters.
Die Dorfherren übten die Gerichtsbarkeit im Dorf aus, bezogen die Strafgelder, setzten den Schultheißen und alle anderen Dorfämter ein. Sie verfügten über die Leibeigenen, bezogen die Steuern und Abgaben, also auch die Zehntsteuer, und konnten Fronen, d.h. unbezahlte Arbeiten, verlangen. Die Lage der Bauern im Mittelalter war drückend, weshalb es auch immer wieder zu Aufständen kam.
Die Kirche wurde 1575 als Weinkelter erbaut und 1760 zur Kirche umgebaut. Auch die heutige Zehntscheuer wurde auf das Baujahr 1575 datiert. Das Backhaus kam erst im Jahr 1855 dazu.
Nach der Reformation kam das Kloster Bebenhausen in den Besitz der Herzöge von Württemberg, die es 1534 auflösten. Der Klosterbesitz wurde von einem Klosteramt in Lustnau verwaltet. Zuständig für Reusten war die Klosterpflege = Verwaltungsstelle auf Schloss Roseck. Dorthin wurde auch die Zehntabgabe aus Reusten geliefert.
1852 wurde die Zehntsteuer aufgehoben. Die Zehntscheuer wurde überflüssig und diente dann anderen Zwecken.
Herzogliches Wirtschaftzentrum 1575
1575 wurden in Reusten die Kelter – seit 1760 Kirche – und die danebenstehende Zehntscheuer erbaut. Die Reustener Zehntscheuer gehört zu den größten der Umgebung und ist viel komplexer und fortschrittlicher als die üblichen Scheuern, wie Bauhistoriker Tilmann Marstaller festgestellt hat. Mit solchen Bauten sollte auch der Herrschaftsanspruch des Grundherren demonstriert werden. Von Vorgängerbauten ist uns leider nichts überliefert.
1534 hatte Herzog Ulrich die Reformation in Württemberg eingeführt und die geistlichen Besitztümer, also auch das Kloster Bebenhausen mit Reusten, verstaatlicht, so dass nun Kelter, Zehntscheuer und wohl auch die Innere Mühle in herzoglich, württembergischen Besitz kamen. Erbauer dürfte der damals erst 20-jährige Herzog „Ludwig der Fromme“, 1568 – 1593, von Württemberg, beziehungsweise seine Regierung gewesen sein.
Das Gebäude besteht aus drei etwa gleich großen Teilen, die wir neu benannt haben: Schafstall – Tenne – Farrenstall. Die Decke zum Speicher wurde erst später eingezogen. Man konnte also einst in den mittleren zentralen „Beschickungsraum“ durch ein hohes Tor einfahren und die Garben weit nach oben stapeln.
Überhaupt wurde an dem Gebäude, das ja seit 1852 anderen Zwecken dient, viel umgebaut. Auf der Vorderseite des Daches befinden sich aber immer noch die ursprünglichen Dachziegel, die unbedingt erhalten werden sollten. Für die Rückseite hat es nicht mehr gereicht. Dort wurden neue Ziegel aufgelegt.
Das Gebäude besteht aus einem unteren, aufwendig gemauerten Teil, und einer ebenso aufwendigen Konstruktion aus schweren Holzbalken, die bis zu 12 Meter lang sind. Die senkrechten massiven Ständer sind Eichenhölzer aus dem Schönbuch, die waagrechten, längeren Balken Nadelhölzer aus dem Schwarzwald. Sie mussten mit Floßen auf dem Necker und schließlich auf dem Landweg mit Fuhrwerken von Tübingen durchs Ammertal nach Reusten geschafft werden. Vermutlich wurde die Bevölkerung dafür eingespannt.
Beim Flößen band man bis zu 22 Stämme zu einem sogenannten „Gestör“ zusammen. Ein Floß hatte bis zu 22 Gestöre und konnte 266 Meter lang sein. Dass die Balken mit Floßen hierher kamen, erkennt man an Bohrlöchern. Sie dienten wie Ösen zum Zusammenbinden der Floße (Floßaugen). Vermutlich wurden sie schon im Schwarzwald rechteckig bearbeitet.
In der Nachbarschaft, an der Ammer, gab es schon sehr lange die „Innere Mühle“, bis 1956 – heute Familie Haupt – die auch die “Klostermühle” genannt wurde. Vermutlich gehörte auch noch das benachbarte „Bühlerhaus“ als Verwaltungsgebäude zur Zehntscheuer. Wir haben also um 1575 mit der Zehntscheuer, der Kelter und der Mühle ein herzogliches „Wirtschaftszentrum“ mitten im Flecken.
Aus einer Idee wird Wirklichkeit 2007 – 2018
1852 wurde die Zehntsteuer aufgehoben. Die Zehntscheuer wurde überflüssig und diente dann anderen Zwecken. Von 1927 bis 1965 diente die Zehntscheuer als „Turnscheuer“, dann als Schafstall, als Salzlager, als Farren- (Bullen) stall und schließlich als Notunterkunft für eine Familie bis 2010.
Was sollte mit diesem größten und – wie sich später herausstellte – auch ältesten Gebäude von 1575, mitten im Dorf geschehen? Aus ganz Deutschland, auch aus der Umgebung, gab es Beispiele gelungener Umnutzung. In der Schublade der damaligen Ortsvorsteherin Christel Halm schlummerten wohl schon lange Pläne, die aber wegen der zu erwartenden horrenden Ausgaben auf Papier blieben. Bei jedem Kirchgang wurden die Reustener an diesen wahrhaft „dunklen Flecken“ hinter der Kirche erinnert. An einen feierlichen Ständerling nach Hochzeit, Taufe oder Konfirmation war nicht zu denken…jedenfalls nicht ohne das Thema wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Treibende Kraft hier mal ordentlich aufzuräumen war schon in den 1990er Jahren der Ortschaftsrat Willi Schill.
Abbildung 1 Ein „dunkler Flecken“ hinter der Kirche 20
2007 ergriff schließlich der spätere Ortsvorsteher Herbert Gräb nach einer Konfirmation mit einigen kurz entschlossenen Helfern die Initiative und beseitigte mit geringen Mitteln die schlimmsten Schönheitsfehler. Nach und nach wurde der Hof gepflastert. Weitreichende Planungen waren wegen der begrenzten Mittel, die dem Gemeinderat Stück für Stück abgerungen werden mussten, nicht möglich. Dennoch schafften es die ehrenamtlichen Helfer bald, nicht nur den Hof, sondern auch den zentralen Innenraum zu pflastern und die wichtigsten Bauschäden zu beheben. Das ehrenamtliche Engagement und wohl auch eine Verbesserung der Finanzlage bewogt den Gemeinderat schließlich, den Reustenern eine größere Summe von 200 000€, vor allem zur Sanierung des Daches zu bewilligen. Sollte das Gebäude nicht ganz vergammeln und Klagen über herunterfallende Dachziegel nicht endlich verstummen, musste die Gemeinde ohnehin handeln. Mit so viel Geld und so viel vorhandenem Engagement konnte man nun auch größere Sprünge wagen. Jetzt erwachten weitergehende Ideen für einen teilweisen Umbau zum Bürgertreff.
Der Gemeinderat bestand zuvor auf einem klaren Entwurf. Ein Verein sollte gegründet und ein Plan für ein Gesamtkonzept sollte erarbeitet werden. So geschah es. Im Mai 2013 wurde der „Förderverein Zehntscheuer Ammerbuch-Reusten e.V.“ gebildet. Er entwickelte ein Nutzungskonzept, das nicht nur den Gemeinderat davon überzeugte, dass seine Gelder hier sinnvoll angelegt sind, sondern das den Beamten des Landes Baden-Württemberg weitere Zuschüsse, „ELR – Gelder“ für die Entwicklung im ländlichen Raum, in Höhe von 105 000€ wert schien. Damit war das Projekt finanziell abgesichert.
Baubeginn war im August 2015. Schon im Herbst 2015 konnte Richtfest gefeiert werden.
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