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Roland Fakler

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Ägyptologie

Wie viel von der ägyptischen Kultur steckt im Christentum?

Am Samstag, den 30. November 2019, luden die Humanisten Tübingen zu einer Führung durch die ägyptologische Sammlung in das Schlossmuseum ein. Ein gutes Dutzend interessierter Zuhörer folgte lauschend und fragend der Museumsführerin Frau Dunja Al-kayid, die in den eineinhalb Stunden fesselnder Führung zahllose Fragen kompetent und geduldig beantwortete. Gezielt wollten wir wissen: „Wie viel von der ägyptischen Kultur steckt im Christentum?“ Wer schon eine Statue der Göttin Isis mit dem Horusknaben auf dem Schoß gesehen hat, kann den Verdacht nicht loswerden, dass es da eine Verbindung zur Darstellung Marias mit dem Jesusknaben geben könnte. Dabei gibt es für Eingeweihte klare Unterscheidungsmerkmale der Isis: die Kopfbedeckung und ihr Gewandknoten. Es gibt noch andere erstaunliche Parallelen, die das Christentum und die ägyptische Kultur miteinander verbinden. Schließlich sollen, laut Bibel, die Juden lange in ägyptischer Gefangenschaft verbracht und von dort nach Palästina ausgewandert sein. Sie könnten also von dieser älteren Kultur, die etwa ab 3000 v.u.Z. (vor unserer Zeitrechnung) beginnt, einiges mitgenommen haben. Aus dem Judentum hat sich das Christentum entwickelt und Jesus war, wie viele seiner ersten Anhänger, Jude.

An fünf Stationen, beginnend mit der Zeit um 2500 v.u.Z., bis in die hellenistisch-römische Zeit, konnten wir die Entwicklung der ägyptischen Glaubensvorstellungen anhand zahlloser echter und nachgebildeter Prachtstücke, wie Särgen, Miniaturen, Schriften usw.  verfolgen. Die Sammlung in Tübingen ist üppig und sehenswert. Unsere erste Station führte uns in die echte Grabkammer eines Staatsbeamten mit vielen, gut erhaltenen Wandmalereien und Hieroglyphen. In dieser Frühphase haben Götterdarstellungen noch gar keine Rolle gespielt, vielmehr nimmt die Mutter des Beamten, erkennbar an ihrer Größe eine herausragende Stellung ein, auch seine Frau ist gleich groß dargestellt. „Wir können heute fast alles lesen“, erwiderte Frau Al-kayid auf die zweifelnde Frage eines Zuhörers.

 
Frau Al-kayid Führung in der Grabkammer Isis mit Horusknabe

Die Entwicklung des Gottes Horus ist sehr vielfältig und kompliziert. Dies ist eben das Ergebnis, wenn Gläubige jahrhundertelang, über das Wesen nicht-existierender Geister fantasieren, sei es nun, um die Welt zu erklären, sei es um sich gut zu fühlen oder um Herrschaft zu legitimieren. Vor allem darum dürfte es den Pharaonen und ihrer Priesterschaft, die eng miteinander zusammenarbeiteten, gegangen sein.

Schon früh wurde der Gott Horus mit dem Pharao gleichgesetzt. Der Pharao war damit der göttlich legitimierte, absolute Herrscher. Auch die Herrschaft der Priester wurde in diese hierarchische Ordnung eingebaut. Man darf vermuten, dass das Bild, das im Alten Testament vom jüdischen Gott Jahwe gezeichnet wird, diesen allmächtigen Pharaonen nachgebildet wurde.

Das Volk durfte nur einen Teil der Tempel betreten. Andere Teile waren ausschließlich der Priesterschaft vorbehalten. Das Volk war zwar durch seine Arbeit am Bau der Pyramiden und bei Opferritualen in die Gemeinschaft eingebunden, aber sicher mit geringeren Rechten. Der Pharao sollte durch den Bau der Pyramiden und die Mumifizierung unsterblich gemacht werden, damit er Fürsprache für jeden einzelnen seines Volkes bei den Göttern einlegen konnte. So hatte auch jeder Freie die Möglichkeit, unsterblich zu werden. Allerdings wurden die Herzen der Menschen nach ihrem Tod erst einmal gewogen. Die „guten Herzen“ wurden mit der Unsterblichkeit belohnt, die schlechten wurden von einem Krokodil gefressen und endgültig ausgelöscht. Die Ägypter vermuteten den Geist, das „Wesen“, der Menschen im Herzen, nicht im Gehirn. Die Normen für das „richtige“ Verhalten waren in einem „Totenbuch“ mit vielen ethisch wertvollen Regeln festgelegt.

Schlussfolgernd stellte Frau Al-kayid fest: Es gibt keine direkten Linien von der ägyptischen Kultur zum Christentum, aber es gibt natürlich Parallelen. Es gibt keinen Hinweis, dass Horus in der Mythologie zwölf Jünger gehabt hat oder dass er gekreuzigt wurde, aber es gibt die Gottessohnschaft in der ägyptischen Kultur und die jungfräuliche Geburt. Es gibt die Wunderheilungen des Gottessohnes Horus, es gibt das jenseitige Gericht, das gemäß dem irdischen Verhalten über ewiges Leben oder endgültige Auslöschung entscheidet.

Ich glaube, die Veranstaltung war für alle Beteiligten ein großer Gewinn. Dank an Frau Al-kayid für die kompetente Führung. Text und Fotos Roland Fakler

Mögliche Einflüsse der ägyptischen Religion auf das Christentum

  • Konzept der Dreifaltigkeit:
    • Die ägyptische Religion kannte die Vorstellung von göttlichen Triaden, wie zum Beispiel die Triade von Osiris, Isis und Horus. Diese Vorstellung einer göttlichen Dreieinheit könnte das christliche Konzept der Heiligen Dreifaltigkeit beeinflusst haben.
    • Monotheismus
    • Der Pharao Echnathon versuchte um 1337 v.u.Z. die Vielgötterei abzuschaffen und nur noch die Verehrung des einen Gottes Aton zuzulassen. Wobei er selbst sich  als Sohn des Aton an die Spitze des Staates stellte.
  • Göttliche Geburt:
    • Die Geburt von Horus, dem Sohn der Isis, wird manchmal als Parallele zur Geburt Jesu Christi angesehen. Beide Geschichten beinhalten eine göttliche Geburt und eine schützende Mutterfigur.
  • Tod und Auferstehung:
    • Osiris, der ägyptische Gott des Jenseits, der stirbt und wiederaufersteht, weist Parallelen zur christlichen Vorstellung von Jesus Christus auf, der gekreuzigt wird und am dritten Tag aufersteht. Dieser Mythos könnte das christliche Konzept der Auferstehung beeinflusst haben.
  • Rituale und Symbole:
    • Einige christliche Rituale und Symbole könnten ihre Wurzeln in ägyptischen Praktiken haben. Zum Beispiel gibt es Ähnlichkeiten zwischen der christlichen Taufe und ägyptischen Reinigungsritualen.
  • Das Leben nach dem Tod:
    • Die ägyptische Religion hatte eine detaillierte Vorstellung vom Leben nach dem Tod, die auch in das Christentum eingeflossen sein könnte. Die Idee eines Jenseits, in dem das Verhalten im Leben belohnt oder bestraft wird, ist in beiden Religionen zentral.
  • Monastische Traditionen:
    • Die ägyptische Wüste war ein Zentrum der frühchristlichen Klostergemeinschaften. Diese Gemeinschaften könnten von ägyptischen asketischen Praktiken beeinflusst worden sein.
  • Ikonographie und Kunst:
    • Einige frühe christliche Darstellungen von Maria und dem Jesuskind ähneln ägyptischen Darstellungen von Isis und Horus. Diese Ikonographie könnte teilweise aus der ägyptischen Kunsttradition übernommen worden sein.
  • Theologische Konzepte:
    • Konzepte wie das des “Logos” (Wort Gottes), das im Johannesevangelium eine wichtige Rolle spielt, könnten durch hellenistische Interpretationen ägyptischer religiöser Ideen beeinflusst worden sein.

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