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Roland Fakler

Drohbotschaften

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Vom Trost zur Drohung!

Markus 16,16 – Vom offenen Glaubensvers zum Machtinstrument

Der Vers „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer nicht glaubt, wird verdammt“ (Markus 16,16) ist vielen Christen vertraut. Auf den ersten Blick klingt er wie ein einfacher Hinweis auf den Glauben und die Taufe. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass seine Geschichte viel komplexer ist – und dass die Kirche den Vers über Jahrhunderte hinweg als Machtinstrument genutzt hat.


1. Das ursprüngliche Markus-Evangelium

Das Markus-Evangelium endet in seiner ältesten Form abrupt:

„Sie fliehen und sagen niemandem etwas, denn sie fürchteten sich.“ (Markus 16,8)

Forscher rekonstruieren, dass ein wahrscheinlicher ursprünglicher Schluss so geklungen haben könnte:

„Und sie berichteten den Jüngern, was geschehen war. Jesus begegnete ihnen und stärkte ihren Glauben. Er versprach, bei ihnen zu sein. Sie freuten sich und lobten Gott.“

Hier stehen Trost und Ermutigung, nicht Drohung, im Vordergrund.


2. Der lange Schluss und die theologische Nachrüstung

Im späteren Manuskript erscheint der sogenannte lange Markus-Schluss (Markus 16,9–20), in dem der Vers 16 auftaucht.

Der lange Schluss ist eine Zusammenstellung aus anderen Evangelien, wahrscheinlich im 2. Jahrhundert eingefügt, um Markus ein „rundes“ und lehrreiches Ende zu geben.


3. Markus 16,16 als Machtinstrument im Mittelalter

Ab dem Mittelalter wurde der Vers gezielt eingesetzt, um Kirchenmacht zu festigen:

Frühmittelalter (ca. 500–1000)

Hochmittelalter (ca. 1000–1300)

Spätmittelalter (ca. 1300–1500)

Fazit: Aus einem offenen Glaubensvers wurde ein druckvolles Instrument zur Machtsicherung der Kirche.


4. Dreifacher Vergleich – Vom offenen Ende zur institutionellen Drohung

Original Markus 16,8 Rekonstruktion des ursprünglichen Schlusses Langer Markus-Schluss (16,9–20)
Frauen fliehen aus Angst Begegnung, Freude, Lob Gottes Jesus erscheint, Glaube + Taufe = Rettung, Drohung für Ungläubige
Tonfall: offen, spannend Tonfall: ermutigend, hoffnungsvoll Tonfall: autoritativ, missionsorientiert
Machtpotenzial: gering Machtpotenzial: gering Machtpotenzial: hoch

5. Fazit

Markus 16,16 zeigt, wie ein ursprünglich ermutigender Text in der Geschichte der Kirche zu einem Werkzeug der Kontrolle und Machtausübung wurde. Der Vers wurde theologisch, rechtlich und politisch instrumentalisiert, um Glauben, Taufe und Gehorsam zu erzwingen – eine drastische Wendung vom Trost zur Drohung.

 

Original Jesu-Drohungen Nachträglich verstärkte Drohungen
Matthäus 10,28: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, sondern vor dem, der die Seele ins Verderben stürzt.“ Moralische Warnung; eher original Markus 16,16: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer nicht glaubt, wird verdammt.“ Später hinzugefügt, Mittelalter oft als Drohformel verwendet
Lukas 16,19–31: Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus; Höllenqual Original, symbolische Warnung Matthäus 25,31–46: Endgericht, ewige Strafe für Ungerechte Originaltext, aber theologisch für Kontrolle zugespitzt
Johannes 3,18: „Wer glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet.“ Original, eher auf Glaube als Umkehr ausgerichtet Späte Predigten & Dogmen: Drohungen direkt an Gläubige gekoppelt mit Taufe und Gehorsam Mittelalterliche kirchliche Zuspitzung
Matthäus 23,33: „Ihr Schlangen, ihr Otterngezücht! Wie wollt ihr dem Gericht der Hölle entgehen?“ Original, rhetorische Warnung an Pharisäer Markus 16,16 & Kreuzzugspredigten: Drohformeln zur Durchsetzung der Taufe Später, politisch und kirchlich instrumentalisiert