Bauernkrieg im Ammertal
Der Bauernkrieg im Ammertal
Von Roland Fakler
Beratung der Bauern am Thingplatz von Reusten
Siehe auch: Joß Fritz und der Bauernkrieg
Der Sieg der römisch-katholischen Kirche
Unter den römischen Kaisern Konstantin I., Theodosius I., Theodosius II., Konstans, Gratian, Justinian… u. a. wurde das zuvor verfolgte Christentum ab dem Jahr 337 zur alleinigen, intoleranten Staatsreligion im Römischen Reich. Durch freiwillige Annahme des Katholizismus – vor allem durch germanische Könige wie Chlodwig I. – sowie durch missionarische und militärische Ausbreitung gerieten bis zum 13. Jahrhundert germanische Völker wie Franken, Alemannen, Sachsen, Friesen, Bayern, Thüringer und Pruzen unter die Herrschaft des katholischen Christentums. Siehe: Wie Deutschland christlich wurde.
Ausbeutung und Versklavung
Mit wachsender Macht der katholischen Kirche verloren die einst freien germanischen Bauern zunehmend ihre Rechte. Die weltliche Herrschaft wurde – gestützt auf die Lehren des Apostels Paulus (Röm 13:1) – als von Gott legitimiert dargestellt und entwickelte sich zu einer streng hierarchischen Ordnung. Die Krieger konnten ihre Anführer und Könige nicht mehr selbst bestimmen, da diese nun von der Kirche eingesetzt wurden und sich nicht dem Volk, sondern der Geistlichkeit verpflichtet fühlten. Sie verstanden sich als „Könige von Gottes Gnaden“ – rechtlich unabhängig vom Volk.
Der Papst beanspruchte bald, selbst über Kaiser und weltlichen Fürsten zu stehen. An unterster Stelle in dieser Ordnung standen Handwerker und Bauern – sie bildeten etwa 90 Prozent der Bevölkerung und trugen die wirtschaftliche Last des Staates.
Im Verlauf des Mittelalters nahm die Zahl freier Bauern stark ab. Immer mehr wurden zu Hörigen oder Leibeigenen, da der gesamte Reichtum durch Steuern und Abgaben nach oben floss. Verschuldung führte oft zur unfreiwilligen Abhängigkeit: Leibeigene waren an ihren Herrenhof gebunden, konnten verkauft oder vererbt werden, unterlagen der Willkür des Herrn und mussten oft körperlicher Züchtigung erdulden.
Die Zeit der Klöster
Insbesondere die Klöster erlangten durch Schenkungen und Verkäufe von Adligen großen Reichtum. Diese hofften, sich durch solche Stiftungen das Seelenheil zu erkaufen. Ab dem 11. Jahrhundert entstand die Vorstellung, dass Gebete der Klosterbrüder die Zeit im Fegefeuer verkürzen könnten – eine Idee, die im 15. und 16. Jahrhundert durch den Ablasshandel enorme wirtschaftliche Bedeutung gewann. Gegen diesen Missstand wandte sich Martin Luther.
Das Zisterzienserkloster Bebenhausen, um 1180 gegründet, war eines der reichsten in Württemberg. Um 1525 besaß es rund 500 Höfe, Weiler und Einzelgüter – unter anderem ganze Dörfer, wie Reusten, wo es Dorfherr war. Es verfügte über die niedere Gerichtsbarkeit, Zehntrechte, Fischrechte und politische Einflussmöglichkeiten. Als reichsunmittelbare Institution war es nur dem Kaiser unterstellt.
Allein im Ammertal hatte das Kloster Besitz in Poltringen, Oberndorf, Unterjesingen, Altingen, Entringen und Gültstein. Auch andere Klöster wie Hirsau und Maulbronn hatten Besitz im Ammertal.
Bereits Mitte des 15. Jahrhunderts warnte Kardinal Nikolaus von Kues Papst Eugen IV.: „Missbräuche und Unordnungen erregen den Hass des Volkes gegen den ganzen geistlichen Stand. Wenn man sie nicht abstellt, so ist zu befürchten, dass das Volk sich über die Geistlichen hermacht.“
Die reformatorische Idee Martin Luthers von der „Freiheit eines Christenmenschen“ nährte die Hoffnung vieler auf eine Verbesserung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage.
Der Aufstand im Ammertal
Auch im Ammertal kam es im Frühjahr 1525 – wie in weiten Teilen Deutschlands – zu Aufständen unter Bauern und Handwerkern. Bedeutende Anführer waren Thomas Mayer, Leonhard Schwarz und Matern Feuerbacher.
Anfang Mai 1525 zog Thomas Mayer, ursprünglich aus Loßburg, mit seiner rund 2000 Mann starken Truppe, dem „Haufen vor Wald“, durch die Region. Sie plünderten Burgen in Neuneck, Glatt, Sulz am Neckar und Herrenberg.
„Die in Schloss Glatt erbeuteten Feuerpfeile haben ganze Arbeit geleistet! Nach Mitternacht hat sich Sulz ergeben, und auch die nahe Burg Albeck konnten wir einnehmen. Doch dann rückte das 12.000 Mann starke Heer des Truchsessen von Waldburg heran. Gemeinsam mit den Balinger Bauern zogen wir nach Nordwesten, um uns mit den Unterländern zu verbünden. Herrenberg konnten wir einnehmen – wieder mit Hilfe der Feuerpfeile. Doch in Böblingen kam es zur entscheidenden Schlacht. Unser Heer wurde vernichtend geschlagen. Ich entkam nur knapp – aber es hat nichts genützt. Auf dem Rückweg in den Schwarzwald wurde ich bei Pfalzgrafenweiler gefangen. Jetzt sitze ich in Tübingen – heute soll ich enthauptet werden.“ – Thomas Mayer
Nach der verlorenen Schlacht bei Böblingen wurde Mayer gefangen genommen und in Tübingen hingerichtet. Die geraubte Beute wurde großenteils sichergestellt. In Tübingen erinnert heute die Thomas-Mayer-Straße an ihn.
Die württembergische Regierung war vor Herzog Ulrich – der nach einem Mord und einem kaiserlichen Bann aus Stuttgart geflohen war – nach Tübingen augewichen und hatte sich im Schloss verschanzt. Ulrich, der seine Herrschaft zurückerlangen wollte, verbündete sich mit den Bauern. Trotz aller Versuche gelang es den Aufständischen nicht, Tübingen einzunehmen. Herrenberg dagegen fiel.
Leonhard Schwarz aus Dagersheim (heute Teil von Böblingen) organisierte die Bauern im Gäu und plünderte die Vorräte der Klöster Bebenhausen und Hirsau. Sein weiteres Schicksal nach der Schlacht bei Böblingen ist unbekannt.
Im Ammertal waren besonders Thomas Mayer und Matern Feuerbacher aktiv. Feuerbacher wurde jedoch kurz vor der Schlacht durch den Ritter Schenk von Winterstetten ersetzt, der eine militärische Lösung und eine Entscheidung in offener Feldschlacht anstrebte. Nach der Niederlage floh Feuerbacher nach Süden. Zwei Jahre später wurde er in Rottweil verhaftet, jedoch freigesprochen und durfte 1530 mit seiner Familie in die Schweiz ausreisen.
Die Reaktion der Fürsten
Österreich und der Schwäbische Bund – beide mit Besitzinteressen in der Region – wollten die Aufstände militärisch niederschlagen. Der Schwäbische Bund stellte ein Heer unter Georg Truchsess von Waldburg („Bauernjörg“) auf. Am 12. Mai 1525 kam es zur blutigen Schlacht bei Böblingen: Rund 15.000 Bauern, angeführt u. a. von Ritter Schenk von Winterstetten, Thomas Mayer und Philipp Müller, wurden von einem 7.500 Mann starken Fürstenheer vernichtend geschlagen. Die Bauern verfügten weder über Reiterei noch Artillerie – etwa 3.000 von ihnen kamen ums Leben.
Strafgericht und Verfolgung
Nach der Bluttat von Weinsberg, im April 1525 bei der Adlige – darunter Ludwig von Helfenstein – von aufgebrachten Bauern unter Jäcklin Rohrbach getötet wurden, positionierte sich auch Martin Luther deutlich gegen die Aufständischen. In seiner Schrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ (Mai 1525) forderte er: „Darum soll hie sein, wer da kann, steche, schlage, würge – heimlich oder öffentlich. […] Wie man einen tollen Hund totschlagen muss, […] so soll man auch den Aufrührer totschlagen.“
Auch Philipp Melanchthon stimmte zu: „Es ist keine größere Sünde als der Aufruhr gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit.“
Die Strafen für die Aufständischen waren hart: Hinrichtungen, Folter, Blendung, Verstümmelung, hohe Geldstrafen oder Landesverweis.
„Was an Habe von Wert in den Bauerndörfern und beteiligten Städten war, wurde herausgeholt. Oft wurden die Brandschatzungen mehrfach erhoben, da verschiedene Territorialherren Ansprüche stellten.“
Jäcklin Rohrbach wurde grausam gefoltert und bei lebendigem Leib verbrannt. Feuerbacher hingegen zeigte sich besonnen und suchte den Verständigungsfrieden – ein krasser Gegensatz zum fanatischen Eifer des jungen Rohrbach.
Der Sieg und die Beute der Fürsten
Der große Gewinner war Georg III. Truchsess von Waldburg, genannt „Bauernjörg“. Er wurde mit Titeln, Land und Reichtümern belohnt. Die erbeuteten Güter begründeten den Aufstieg des Hauses Waldburg – insbesondere der Linie Waldburg-Zeil.
„Die Familie Waldburg-Zeil zählt heute zu den größten Grundbesitzern Deutschlands. Ihr Besitz umfasst etwa 10.000 Hektar Land in Baden-Württemberg und Bayern sowie mehrere tausend Hektar Nadelholzplantagen in Argentinien. Ihr Vermögen wird auf rund 650 Millionen Euro geschätzt.“ – Wikipedia
Kurze Zusammenfassung: Bauernkrieg im Ammertal (1525)
Im Jahr 1525 kam es im Ammertal, wie in vielen Teilen Deutschlands, zum Aufstand der Bauern gegen die Adeligen und die Kirche. Sie wollten mehr Freiheit, weniger Abgaben und ein besseres Leben. Wichtige Anführer im Ammertal waren Thomas Mayer, Matern Feuerbacher und Leonhard Schwarz.
Die Bauern stürmten Burgen und Städte wie Herrenberg. Doch am 12. Mai 1525 verloren sie in der Schlacht bei Böblingen gegen das Heer der Fürsten, angeführt von Georg Truchsess von Waldburg („Bauernjörg“). Viele Bauern wurden getötet oder hart bestraft. Luther stellte sich gegen die Gewalt der Bauern und unterstützte die Fürsten. Am Ende blieben die Bauern arm, während die Fürsten reicher und mächtiger wurden.