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Roland Fakler

Gottessöhne

Gottesöhne

Im Laufe der Weltgeschichte haben sich Menschen der verschiedensten Kulturen nicht nur Götter ausgedacht, sondern auch Gottessöhne, die oft als Verbindung zwischen Göttern und Menschen dienten. Vor allem dienten sie Herrschern, die sich oft selbst als Gottessöhne oder Göttersohn-Nachkommen bezeichneten, als Legitimation ihrer Herrschaft.

Gottessöhne mussten sich natürlich von Menschen unterscheiden. So wurde ihnen oft die jungfräuliche Geburt angedichtet oder sie überwanden den Tod durch eine Auferstehung.

Jungfräulich geborene Gottesöhne, die von den Toten auferstanden sind

Name Kultur / Religion Eltern / Geburt (jungfräulich oder übernatürlich) Tod & Auferstehung Kurzbeschreibung
Dionysos Griechisch Semele empfängt Dionysos von Zeus; in der Spätantike teilweise als „jungfräulich Unberührt-Geborener“ interpretiert; zweite Geburt aus Zeus’ Schenkel. Dionysos wurde zerstückelt (Orphik), wieder zusammengesetzt, erneut geboren. Gott des Weins, der Ekstase, der Wiedergeburt.
Attis Anatolisch / Phrygisch Jungfrau Nana empfängt Attis durch Berührung eines mandelartigen Früchte-Symbols des Gottes Agdistis. Attis stirbt unter einer Pinie; Kybele bittet die Götter – Attis wird erneuert bzw. wiederbelebt. Begleiter der Kybele, vegetativer Fruchtbarkeitsgott.
Adonis / Tammuz Semitisch / Griechisch In einigen Traditionen jungfräuliche oder magische Empfängnis durch Myrrha/ Smyrna nach göttlichem Eingriff. Tammuz/Adonis stirbt jährlich und kehrt zyklisch aus der Unterwelt zurück. Sterbender und wiederkehrender Vegetationsgott.
Osiris (Horus als Sohn) Ägyptisch Isis empfängt Horus von Osiris, nachdem sie seinen zerstückelten Körper magisch rekonstruiert – jungfräuliches / magisch-außerordentliches Zeugungsmotiv. Osiris wird getötet, zerstückelt und wiedererweckt; Horus repräsentiert ebenfalls zyklische Wiedergeburt. Osiris ist Gott der Wiedergeburt; Horus göttlicher Herrscher-Sohn.
Mithras (Römisch-persisch) Mithraskult „Jungfräuliche Geburt“ aus einem Felsen (petra genetrix), also ohne Mutter. Keine klassische Auferstehung, aber rituelles Mitsterben und Mit-Auferstehen der Anhänger; in späten Deutungen kosmische Erneuerungszyklen. Erlöserfigur, Lichtgott, kosmischer Held.
Dumuzi Mesopotamisch Göttliche Geburt (Inanna + göttliche Abstammung); in späteren Texten jungfräuliche Konzeption. Stirbt und steigt zyklisch wieder auf; Auferstehungsfeste historisch belegt. Vegetations- und Erneuerungsgott.

Weitere Gottessöhne

Rot: Herrscher, die ihre Legitimation als Gottessohn erhielten

Ägypten

Horus – Sohn von Osiris und Isis

Anubis – in manchen Traditionen Sohn von Osiris und Nephthys

Khonsu – Sohn von Amun und Mut

Montu – Sohn von Amun

Pharaonen (allgemein) – galten als „Söhne des Ra“ oder „Söhne des Amun“

Imhotep (später vergöttlicht) – wurde in der Spätantike als Sohn des Ptah verehrt

 

Griechenland

Die Griechen haben die größte Zahl an Gottessöhnen, besonders durch Zeus.

Herakles – Sohn von Zeus & Alkmene

Perseus – Sohn von Zeus & Danaë

Dionysos – Sohn von Zeus & Semele

Minos, Rhadamanthys, Sarpedon – Söhne von Zeus & Europa

Apollo – in manchen lokalen Traditionen Sohn von Zeus & Leto

Artemis – wie Apollo

Helena von Troja – Tochter von Zeus

Polydeukes (Pollux) – Sohn von Zeus (Zwillingsbruder Kastor, der sterblich war)

Makedon / Magnes – eponyme Söhne des Zeus

Aias (Ajax) – in einigen Überlieferungen Sohn des Telamon und des Zeus (abweichend)

Pan – in manchen Versionen Sohn des Hermes

Asklepios – Sohn von Apollo

Aristeas – Sohn von Apollo

Orpheus – Sohn der Muse Kalliope und in manchen Mythen Apollons

Triptolemos – in Eleusis als Sohn einer Gottheit verehrt

Ion – Sohn von Apollo

Achilleus (Achilles) – Sohn der Meeresgöttin Thetis & des Königs Peleus

Aeneas (griech./trojan.) – Sohn von Aphrodite & Anchises

 

Rom

Romulus – Sohn des Kriegsgottes Mars

Remus – ebenfalls Sohn des Mars

Hercules (röm. Herkules) – identisch mit Herakles

Silvanus / Faunus – in manchen Traditionen göttliche Abstammung

 

Persisch–anatolischer Raum

Mithras

Im römischen Kult nicht als „Gottessohn“ bezeichnet

aber eine göttliche Erlöserfigur, aus einem Felsen „geboren“

Attis – jung sterbender Gott, Sohn der Nana/ Kybele in mythischer Zeugung

Tammuz / Dumuzi – göttlicher Liebhaber der Inanna, oft „göttlicher Sohn“ genannt

 

Semitischer Vorderer Orient

Baal – Sohn des Gottes El (in manchen Texten)

Melqart – Sohn von Baal oder El (je nach Epoche)

Yam, Mot – Söhne des höchsten Gottes El

Adonis – griechisierte Fassung des semitischen Adon / Tammuz

 

Altes Israel / Judentum

(Begriff „Sohn Gottes“ ist hier metaphorisch, aber wichtig.)

König David – im Psalter „Gottes Sohn“ (symbolisch)

Jüdische Könige generell – galten als adoptive Söhne Gottes

Engelwesen / „Gottessöhne“ – im Buch Genesis & Hiob (hebr. bene elohim)

 

Indien

In Indien ist es weniger „Gottessohn“ und mehr „Inkarnation“. Trotzdem:

Krishna – Avatar Vishnus, Sohn von Vasudeva und Devaki

Rama – Avatar Vishnus, Sohn von Dasharatha & Kaushalya

Skanda / Karttikeya – Sohn von Shiva

Ganesha – Sohn von Shiva & Parvati

Hanuman – Sohn des Windgottes Vayu

 

China

Fuxi – in Legenden Sohn des Himmels

Shennong – ebenfalls göttliche Herkunft

Kaiser als „Söhne des Himmels“ – politisch-religiöse Bezeichnung

 

Japan

Tenno (Kaiser) – gilt als direkter Nachkomme der Sonnengöttin Amaterasu

Ninigi-no-Mikoto – Enkelsohn von Amaterasu

Jimmu – erster Kaiser, göttlicher Abkömmling

 

Amerikas (Maya, Azteken, Inka)

Manco Cápac – Sohn der Sonne (Inkagott Inti)

Quetzalcoatl – göttlicher Kulturheld (nicht „Sohn”, aber göttliche Geburtstraditionen)

Hunahpu & Xbalanque (Maya) – Söhne des Himmelsgottes Hun Hunahpu

 

Nordische Mythologie

Thor – Sohn Odins

Vidar – Sohn Odins

Váli – Sohn Odins

Baldr – Sohn Odins

Sigi – Sohn von Odin (Ahnherr der Völsungen)

Skjöldr (Scyld) – Sohn Odins (Schildkönige)

 

Kelten und Briten

Cú Chulainn – Sohn des Lichtgottes Lugh

Aengus Óg – Sohn des Dagda

Bran der Gesegnete – Sohn des Meerengottes Llyr

Morrigan-Nachkömmlinge – diverse Kinder göttlicher Herkunft

 

Germanen & andere europäische Kulturen

Siegfried / Sigurd – in späteren Legenden göttliche Abstammung (Odin-Linie)

Alte Könige – z. B. Merowinger als „Söhne eines Meereswesens“

Herrscher, die als Gottessöhne galten.

Herrscher / Dynastie Kultur / Reich Art der Vergöttlichung Anmerkungen
Alexander der Große Griechen / Makedonien Sohn des Zeus-Ammon Zu Lebzeiten göttlicher Kult
Ptolemäer (z. B. Ptolemaios I., Kleopatra VII.) Ägypten (hellenistisch) Göttliche Herrscher, Inkarnationen von Isis/Osiris Kult stark ausgeprägt
Julius Caesar Römisches Reich Postum vergöttlicht (divus Iulius) Octavian nannte sich „Sohn des Gottes“
Augustus Römisches Reich Sohn des vergöttlichten Caesar Im Osten zu Lebzeiten als Gott verehrt
Weitere römische Kaiser (z. B. Claudius, Hadrian, Marcus Aurelius) Römisches Reich Postum vergöttlicht Ausnahme: einige durch „damnatio memoriae“ entgöttlicht
Pharaonen (alle Dynastien) Altes Ägypten Söhne des Re; Horus-Inkarnation Zentrale religiöse Rolle
Naram-Sin Akkad (Mesopotamien) Erklärte sich selbst zum Gott Sohn der Göttin Ishtar
Assyrische Könige Assyrien Söhne des Gottes Assur Göttliches Mandat durch nationale Gottheit
Chinesische Kaiser (Tianzi) China „Sohn des Himmels“ Kein Gott, aber göttliches Mandat
Japanischer Tennō Japan Abstammung von Amaterasu Bis 1945 offiziell göttlich
Inka-Herrscher Inka-Reich Sohn des Sonnengottes Inti Göttlicher Status zu Lebzeiten
Aztekische Herrscher Azteken Hohepriesterkönige mit göttlichem Rang Zentrale religiöse Funktion

Es gibt mehrere Dutzend antike Figuren, die eindeutig als Gottessöhne gelten.