Vor Adam und Eva
Adam und Eva – Ihre mesopotamischen Wurzeln
Schon rund 1800 Jahre vor unserer Zeitrechnung gab es in Mesopotamien Mythen, die erstaunlich viele Parallelen zur biblischen Geschichte von Adam und Eva aufweisen. Diese älteren Erzählungen stammen aus Sumer und Akkad und wurden vermutlich während des babylonischen Exils von israelitischen Schreibern theologisch umgedeutet.
Die mesopotamischen Vorläufer
In mehreren sumerischen und akkadischen Mythen tauchen Motive auf, die später in der Genesis wiederkehren – darunter das Paradies, verbotene Nahrung, Verlust der Unsterblichkeit und die Erschaffung einer Frau aus einer Rippe.
- Enki und Ninhursag (Sumerisch, ca. 2000 v.u.Z.): Der Gott Enki lebt im Paradies Dilmun, isst verbotene Pflanzen und wird krank. Die Göttin Ninhursag heilt ihn, indem sie „Ninti“ erschafft – was „Frau der Rippe“ oder „Frau des Lebens“ bedeutet.
- Adapa-Mythos (Akkadisch, ca. 1800 v. Chr.): Der weise Mensch Adapa, von Gott Ea erschaffen, verliert die Chance auf Unsterblichkeit, weil er göttliche Nahrung nicht annimmt.
📖 Vergleich der Mythen
Thema / Motiv | Enki & Ninhursag (Sumer, ca. 2000 v.u.Z.) | Adapa-Mythos (Akkad, ca. 1800 v.u.Z) | Adam & Eva (Genesis, ca. 6.–5. Jh. v.u.Z.) |
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Ort der Handlung | Paradiesisches Land Dilmun | Himmel und Meer der Götter | Garten Eden |
Zentrale Figur | Enki, Gott der Weisheit | Adapa, weiser Mensch | Adam, erster Mensch |
Begleiterin / Frau | Ninhursag erschafft Ninti („Herrin der Rippe“) | Keine Partnerin erwähnt | Eva, „Mutter aller Lebendigen“, aus Adams Rippe |
Motiv der Rippe / des Lebens | Ninti = „Frau der Rippe“ + „Frau des Lebens“ | – | Eva = „die Lebendige“, aus der Rippe Adams |
Verbotene Nahrung | Enki isst verbotene Pflanzen | Adapa verweigert göttliche Nahrung | Adam & Eva essen vom Baum der Erkenntnis |
Folge des Essens / Nicht-Essens | Krankheit, Verlust göttlicher Harmonie | Verlust der Unsterblichkeit | Vertreibung, Sterblichkeit |
Beziehung zu Gott / Göttern | Enki übertritt göttliche Ordnung | Adapa folgt göttlichem Rat, verliert dennoch | Adam & Eva übertreten Gottes Gebot |
Zentrales Thema | Grenzüberschreitung, Heilung | Wissen vs. Unsterblichkeit | Ungehorsam, Erkenntnis, Sterblichkeit |
Moralische Deutung | Keine Sünde, göttliches Spiel | Schicksal, keine Schuld | Sündenfall und moralische Schuld |
Zusammenfassung
Die biblische Erzählung von Adam und Eva greift mehrere alte Motive auf:
- Die „Frau aus der Rippe“ stammt aus dem sumerischen Mythos von Enki und Ninhursag.
- Das Motiv vom Verlust der Unsterblichkeit durch göttliche Nahrung stammt aus dem Adapa-Mythos.
- Die Bibel deutet diese Motive moralisch und monotheistisch um: Der Mensch wird für seinen Ungehorsam verantwortlich gemacht.
So zeigt sich, dass die biblische Schöpfungsgeschichte kein isolierter Text ist, sondern eine Neuinterpretation älterer mesopotamischer Vorstellungen über Ursprung, Wissen und Sterblichkeit.
Quellen: Übersetzungen der sumerischen Mythen (Samuel Noah Kramer), Adapa-Mythos (James B. Pritchard, Ancient Near Eastern Texts), Genesis 2–3 (Altes Testament).