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Geistige Freundschaften
Geistige Freundschaften über die Zeiten hinweg
Mit 70 Jahren darf man zurückblicken und sich die Frage stellen: Wie bin ich geworden, was ich bin, wer hat mich beeinflusst in meinem Denken und wem von diesen geistigen Anregern fühle ich mich freundschaftlich verbunden? Eine Auswahl von etwa 60 Menschen habe ich schon vor Jahren in Portraitzeichnungen festgehalten. Für die Humanistische Rundschau kamen zehn in die engere Auswahl und André Gerland hat Cicero, Holbach, Feuerbach und Deschner vorgeschlagen. Bevor ich vor Jahren auf kämpferische Humanistinnen gestoßen bin, waren es vor allem Männer, die mich geprägt haben. Unter meinen porträtierten Freundinnen gibt es nur drei Frauen, Bertha von Suttner, Friedensaktivistin, Sophie Scholl, Widerstandskämpferin und die Philosophin Hypathia. Sie wurde von einem christlichen Mob 415 in Alexandria ermordet.
Leider ist es bis heute so, dass die mutigsten Denker der Welt immer gegen die Beschränkung ihrer geistigen Freiheit kämpfen mussten. Sie sind die Gegenspieler und oft die ersten Opfer der Diktatoren. Es sind diese Freidenker und Humanisten aller Zeiten, mit denen ich mich verwandt und befreundet fühle und es sind die Diktatoren, die ich bekämpfe. Das wurde zum zentralen Thema meines Lebens und hat seinen Niederschlag in meinem Hauptwerk: „Von Verfolgern und Verfolgten – Lehren aus der Weltgeschichte“ gefunden.
Cicero Markus Tullius 106 – 43 v.u.Z. römischer Staatsmann und Philosoph. Mein erster „Freund im Geiste“ ist mir schon früh, während meiner Gymnasialzeit, begegnet. Ich war Lateinschüler und wurde dadurch nicht nur mit der Sprache der Römer vertraut, sondern auch mit ihrer ganzen Kultur und den Weisheiten ihrer herausragenden Philosophen, die mir viel vernünftiger erschienen als das Christentum, mit dem ich aufgewachsen bin. Cicero war ein Mann, der seine Autorität seinen überzeugenden Fähigkeiten zu verdanken hatte, nicht der Legende, wie die Heiligen, die man mir als Vorbilder hinstellte. Er war ein Mensch, der mit beiden Beinen im Diesseits stand und der seinen Anteil daran hatte, diese Welt besser und gerechter zu machen. Sein Hauptwerk „Über den Staat – De re publica“, in dem es um den gerechten Staat und die beste Verfassung geht, haben wir in der Schule im Original gelesen. Bewundernswert an Cicero fand ich nicht nur sein literarisches Werk. Er ist auch ein klassischer Vertreter der männlichen, römischen Tugenden: Rechtschaffenheit, Tapferkeit, geistiger Klarheit. Mit seinen Texten, die leicht verständlich zeitlose humanistische Werte vermitteln, hat er mir auch die Tür zur griechischen Philosophie und damit zur Wurzel humanistischen Denkens im Abendland aufgestoßen. Er ist ein Wegweiser für das gute und erfüllte Leben. Sein mutiger Einsatz für die Republik, gegen die machtbesessenen Umstürzler Catilina, Cäsar, Oktavian und Mark Anton hat ihn schließlich das Leben gekostet. Damit war klar: Er ist mein Freund und die ihn verfolgt und vernichtet haben, sind meine Feinde.
Feuerbach Ludwig *1804 – gestorben 1872 in Bayern. Ich war von meinem 9. bis zu meinem 16. Lebensjahr in einem katholischen Internat. Obwohl ich in dieser frommen Umgebung aufgewachsen und erzogen wurde, zweifelte ich früh am katholischen Glauben. Man warnte uns vor gewissen Philosophen, sogenannten Ketzern und Atheisten. Aber gerade das weckte meine Neugier. Ich wollte wissen, nicht glauben. Als ich mit sechzehn Jahren das Internat verlassen hatte und auf eine freie Schule gewechselt war, las ich alle diese Ketzer, die ich bisher nur dem Namen nach kannte. Da war Friedrich Nietzsche, dessen Schicksal mich interessierte, weil ich eine Verwandtschaft ahnte und natürlich Ludwig Feuerbach, der „Das Wesen des Christentums“ analysierte. Die seltsame Geschichte, von dem jüdischen Baby, das auch sein eigener Vater war, das von einer jungfräulichen Mutter geboren wurde, gemäß paulinischer Deutung absichtlich einen elenden Tod am Kreuz sterben wollte, um uns von einer Erbschuld zu erlösen, an der ich nicht schuldig sein konnte, war einfach eine Zumutung für meine Vernunft. Seine Herrschaftsansprüche konnten nicht den Frieden bringen, sondern mussten Streit und Zwietracht herausfordern… und dann gab es da ja auch viele andere Religionen, die auf noch seltsameren Märchen beruhten. Feuerbach hatte die Lösung: Nicht Gott hat die Menschen erschaffen, sondern die Menschen haben ihre Götter erschaffen, nach ihrem Ebenbild. Das war sehr überzeugend und erklärte die Vielfalt der Religionen.
Anders als Hegel, den ich sehr wohl zu verstehen versuchte, war Feuerbach leicht lesbar. Meine Zuneigung gehörte ihm, der es wagte, das Christentum zu kritisieren, obwohl es ihm Nachteile einbrachte. Er durfte nicht, wie Hegel, an einer Universität lehren. Meine Abneigung gehörte dem, der seine frühen revolutionären Ideen verraten hatte, in unverständlicher Sprache Wolkentürme baute und sich schließlich dem preußischen Herrscherhaus andiente. Das machte Hegel reich und „berühmt“, während Feuerbach, der sich mit seiner Ehrlichkeit Feinde schaffte, nur ein bescheidenes Auskommen hatte. Für mich ist Feuerbach ein Freund und Hegel ein Großschwätzer und Schaumschläger.
Holbach Paul-Henri deutsch – französischer Philosoph und Privatgelehrter *1723 in Edesheim und gestorben 1789 in Paris, blieb mir bis in die 1980er Jahre unbekannt. Das hat er nicht verdient. Es war lange Zeit schwierig, eine deutsche Ausgabe seiner Werke zu bekommen. So las ich ihn erst mal auf Englisch. Die mächtige katholische Kirche hat es offensichtlich geschafft, ihn zum Schweigen zu bringen. Erst 2016 brachte Heiner Jestrabek sein Werk „Gesunder Menschenverstand“ in deutscher Übersetzung heraus. Selten habe ich einen Philosophen gelesen, der mit solcher Klarheit überzeugte. Holbach hatte alles, was ein Revolutionär brauchte, um erfolgreich zu sein: Freunde, Beziehungen, Geld und Bildung. An seiner üppigen Tafel versammelten sich die berühmtesten Denker Europas.
Aus Angst vor der Zensur musste er viele seiner Texte anonym oder unter falschem Namen herausbringen. Sein Kampf galt der ungerechten absolutistischen Herrschaft, die mit der katholischen Kirche eng verbündet war. Leider starb er im Jahr der Revolution 1789, zu der er sicherlich einen wertvollen geistigen Beitrag geleistet hat.
Deschner Karlheinz *1924 in Bamberg, also vor 100 Jahren geboren – starb 2014. Er war ein deutscher Schriftsteller und Historiker.
Man kann das aufklärerische Werk Deschners nicht hoch genug einschätzen, vor allem, wenn man mit den Geschichts- und Glaubenslügen vor seiner Aufklärungsarbeit aufgewachsen ist. Nachdem ich zum ersten Mal sein Buch „Abermals krähte der Hahn“ gelesen hatte, in dem es um die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Christentums geht, musste ich mich fragen: Warum hat man uns so angelogen? War es die Unwissenheit meiner Geschichts- und Religionslehrer? Wollten sie die katholischen Dogmen vor Kritik bewahren? Vermutlich waren sie selbst Opfer frühkindlicher Indoktrination. Eine böse Absicht kann ich nicht annehmen. Es waren ehrenwerte Männer, die offensichtlich an ihrem Glauben hingen wie Kinder an ihrem Lieblingsspielzeug und die deswegen nie gewagt hatten, Dogmen zu kritisieren, geschweige denn sie zu hinterfragen. Dieser Glaube mag im privaten Bereich Trost spenden, irgendwann sollte man aber erwachsen werden und sich von einem kindlichen zu einem realistischen Weltbild durchringen. Die „Kriminalgeschichte des Christentums“ zeigt, welches Unheil irrationale Überzeugungen verursacht haben, wenn Herrscher diese zu ihrer Politik gemacht haben. Sie haben mit ihrer intoleranten Verfolgungswut die Hölle auf Erden geschaffen.
Deschner verdiente sich mit seiner schonungslosen Ehrlichkeit und Kritik an hochgelobten „heiligen Verbrechern“, wie z.B. Konstantin I., Chlodwig I., Karl dem Großen… mein ganzes Vertrauen. Er hat unheimlich viel Fleiß investiert, um seine Kritik überzeugend zu belegen. Er ist ein echter Freund für einen, der die Wahrheit sucht.
Meine Freunde sind Aufklärer mit humanistischer Ethik, geistiger Klarheit, Wahrheitsliebe und republikanischer Gesinnung. Es sind echte Vorbilder für ein gutes Leben und für eine bessere Welt. Sie haben nicht nur mein Vertrauen, sondern auch meine Zuneigung gewonnen.
Der Artikel ist am 1.10. 2024 in der Humanistischen Rundschau Stuttgart erschienen. Roland Fakler schreibt sich ohne “c”.
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Freunde
Freunde und Vorbilder
Hier zeige ich eine Seite mit Portraitzeichnungen von Menschen, die ich irgendwie gut finde, die mich beeinflusst haben,
die ich als meine Freunde bezeichne, wenngleich sie fast alle tot sind.
Ich zeichne sie frei vom Tablett und versuche auf diese Weise meine Zeichnenfähigkeiten zu üben und zu verbessern.
Ludwig Quidde 1858 – 1941 Historiker, Pazifist, Politiker, Humanist
Ludwig Pfau * 1821 in Heilbronn; gest. 1894 in Stuttgart, Aufklärer 1848
Sophie Scholl *1921 in Forchtenberg; † 22. Februar 1943 in München, Widerstandskämpferin
Xenophanes von Kolophon griechischer Philosoph Gestorben – 475
Heraklit griechischer Philosoph um *- 520 ;gest. – um 460
Demokrit griechischer Philosoph *- 460 oder 459 in Abdera in Thrakien; gest. – um 370 v. Chr.
Sokrates griechischer Philosoph *- 469 in Alopeke, Athen gest. – 399
Epikurus griech. Philosoph *-341 bis -270
Marcus Tullius Cicero römischer Staatsmann und Philosoph *- 106 bis -43
Lukrez römischer Dichter *- 99 und 94 v. Chr.; gest. vermutlich um – 55 oder 53
John Locke englischer Philosoph *1632 in Wrington gest. bei Bristo 1704
Cato der Jüngere römischer Staatsmann *- 95 Rom, Italien Freitod – 46 v. Chr., Utica
Livius römischer Geschichtsschreiber wohl – 59in Patavium, dem heutigen Padua; gest. um 17
Seneca römischer Staatsmann und Philosoph 1 bis 65
Tacitus römischer Geschichtsschreiber 58 bis 120
Marsilius von Padua italienischer Staatsrechtler 1275, Padua, Italien Gestorben: 1342, München
Albrecht Dürer deutscher Maler 1471 in Nürnberg; † 1528
Picco della Mirandola italienischer Philosoph 1463 in Mirandola Emilia-Romagna; † 1494 in Florenz
Nikolaus Kopernikus deutsch polnischer Astronom 1473 in Thorn; † 24. Mai 1543 in Frauenburg
Galileo Galilei italienischer Astronom 1564 in Pisa; † 29. Dezember 1641
Baruch de Spinoza jüdischer Philosoph 1632 – 1677
Giordano Bruno italienischer Philosoph 1548 bis verbrannt 1600
Plutarch griech. Geschichtsschreiber 45 bis 125
Raffael italienischer Maler 1483, Urbino, Italien Gestorben: 1520, Rom
Peter Paul Rubens deutscher Maler 1577 in Siegen; gest. 1640
Immanuel Kant deut. Philosoph 1724- 1804
Thomas Paine englisch- amerikanischer Philosoph 1736 – 1809
Edward Gibbon englischer Geschichtsschreiber 1737 in Putney, Surrey; gest. 1794 in London
Thomas Jefferson amerikanischer Staatsmann 1743 -1826
Johann Wolfgang von Goethe deutscher Dichter 1749 -1832
Wolfgang Amadeus Mozart österreichischer Komponist 1756, Salzburg, Österreich Gestorben 1791, Wien
Friedrich Schiller deutscher Dichter, Philosoph, Historiker 1759-1805
Friedrich Hölderlin deutsch. Dichter 1770 – 1843
Ludwig van Beethoven deutscher Komponist 1770 -1827
Arthur Schopenhauer deutscher Philosoph 1788 -1860
Eugen Delacroix französischer Maler 1798 in Charenton-Saint-Maurice, Paris; gest. 1863 in Paris
Robert Blum deutscher Revolutionär 1807 in Köln; erschossen 1848 bei Wien
David Friedrich Strauß deutscher Theologe 1808- 1874 “Das Leben Jesu” in den Ruhestand versetzt
Charles Darwin brit. Biologe 1809-1882 Über die Entstehung der Arten
Holbach deutsch – französischer Philosoph 1823 -1889
Robert Ingersoll deutsch. – amerikanischer Philosoph 1833 in Dresden, gest. 1899 in New York
Voltaire französischer Schriftsteller und Philosoph 1694 – 1778
David Hume englischer Philosoph 1711 in Edinburgh; gest. 1776
Friedrich Nietzsche deutscher Philosoph 1844-1900
Vincent Van Gogh niederländischer Maler 1853 in Groot-Zundert; gest. 1890 in Auvers-sur-Oise
Bertrand Russel englischer Philosoph 1872 bei Trellech, Monmouthshire, Wales gest.1970
Albert Einstein deutscher Philosoph und Naturwissenschaftler 1879 in Ulm, gest. 1955 in Princeton,
Ernst Heckel deutscher Biologe , Mediziner, Zoologe, 1834 in Potsdam; gest. 1919 in Jena
Karl Popper österreichischer Philosoph 1902 in Wien; gest. 1994 in London
Karlheinz Deschner deutscher Schriftsteller 1924 in Bamberg gest. 2014 in Haßfurt
John Lenon englischer Musiker und Komponist 1940 in Liverpool; gest. 1980
Richard Dawkins engl. Naturwissenschaftler geboren 1941 in Nairobi
Bob Ross amerikanischer Maler 1942 in Daytona Beach, Florida; gest. 1995
Michael Schmidt-Salomon Philosoph 1967 in Trier als Michael Schmidt
Hamed Abdel-Samad 1972 in Gizeh, Ägypten) ist ein ägyptisch-deutscher Politikwissenschaftler und Publizist
Übereinstimmungen mit den realen Personen sind rein zufällig und können abweichen. Haha!