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Roland Fakler

Rezension: Falsches Denken

Rezension zu Roland Fakler:

Falsches Denken > Falsches Handeln

Gesunder Menschenverstand statt Religionen

von Roland Weber Mannheim

Dieses Buch sollte jeder gelesen haben. Dies gilt vor allem für Gläubige. Doch diese werden sich aus Selbstschutz und aufgrund ihrer religiösen Unterwerfung gewiss verweigern, wenn sie erst einmal über den Inhalt in Kenntnis gesetzt werden. Gläubige könnten sich hier jedenfalls anhand der zahlreichen Aspekte einmal einen lehrreichen Überblick über ihre Scheinwelt verschaffen. Dies aber auch gilt für Atheisten, die hier ihre Ablehnung und Meinungsbildung mit durchaus belastbaren Fakten unterlegt sehen können. Die Anregung oder Aufforderung, dieses Buch zu lesen, gilt vor allem für Zweifler, denen hier das ganze aberwitzige Spektrum des Aberglaubens vorgeführt wird und dazu hilfreiche Informationen geboten werden. Jede Religion und damit auch das Christentum ist lediglich ein Aberglaube, auch wenn das Gläubige anders sehen. Fakler nimmt auch den Islam in den Blick. Auch wenn er nicht alles aufführen kann, was er aufgreift, sind seine Fakten und Hinweise umfassend genug und genügen allemal.

Die Kritik am Glauben macht Fakler an vielen Dingen fest: an der Hybris sämtlicher Religionen, sich jeweils als auserwähltes Volk oder Gemeinschaft eines Gottes zu sehen, sonstigen theologischen Aussagen und vielen Aspekten, wie Reliquien, Märtyrer, Teufel, Hölle, Paradies, Inquisition, Priesterschaft, von Gottes Gnaden, Wunder, Gottesurteil, Mönchtum, Ablass und vieles mehr. Alles in allem ein Blick in den abergläubischen Abgrund. Zahlreiche Zitate machen die Beispiele „griffig“ und mit seinen Kommentaren zeigt der Autor, dass schon einfache Worte und ein gesunder Menschenverstand vollständig ausreichen, um die Scheinwelt des Glaubens zu entzaubern.

Das Einzige, was ich an diesem Buch zu kritisieren hätte, ist der Titel. „Falsches Denken – Falsches Handeln“ (samt Untertitel, der es auch nicht konkreter fasst) steckt einen zu großen Bereich ab und verstellt somit den Blick auf das enger zu fassende Thema dieses Buches: Die Widerlegung aller theologischen Ausgangspunkte, kirchlichen Lehrsätze und gelebten Glaubenspraxis. Einwände habe ich auch gegen das Wort „Kulturgeschichte“. Was der Autor vorführt, ist gerade eine Geschichte der religiösen „Un-Kultur“.  Ich persönlich hätte nach der Lektüre dieses ausgezeichneten Buches einen Titel wie: „Der Irrsinn des Glaubens“, „Einblick in theologische Absurditäten“ oder „Geben wir der Aufklärung eine Chance“ für informativer gehalten. Der Leser dieser Rezension kann somit meine persönliche Schlussfolgerung erkennen und damit knüpfe ich auch an den Autor an, der seine Aspekte und Fakten klar und aussagekräftig kommentiert. Dass Fakler aus seiner Sicht den Titel so gewählt hat, wie er lautet, ist selbstverständlich sein gutes Recht und mit meiner Kritik möchte ich nur zum Ausdruck bringen, dass so möglicherweise Interessenten und Käufer irregeführt oder abgelenkt werden oder die Brisanz gar nicht deutlich wird.

Das fängt schon beim Thema „Denken“ im Titel an. Welcher Gläubige denkt denn? Kauft dieser ein Buch bei dem „Denken“ das Thema ist? Deshalb ist die Parole „Wissen statt glauben“, die man oft hören oder lesen kann, auch hinsichtlich ihres Aufklärungspotentials fragwürdig. Richtig ist eben nur die Forderung: Denken statt glauben. Dem sah ich mich deshalb bei meinem eigenen Buch verpflichtet. Gerade wenn man Wissenschaften zugeneigt ist und religiöse Glaubensvorgaben ablehnt, sollte man mit Begriffen wie Wissen vorsichtig umgehen. Wissen zu fordern ist viel zu unbestimmt, um von einem angesprochenen umgesetzt zu werden. Aber mit seinem vorhandenen Denken sich einem Thema zu nähern, dass ist wirkliche Aufklärung und funktioniert, wenn man sich tatsächlich einmal zum Nach-Denken entschieden hat. Damit liegt Fakler in seiner Aussage genau richtig. Denn die Wissenschaft ist gerade dazu da, auch immer wieder falsches, zuvor als wissenschaftlich belegtes Wissen, zu korrigieren. Nicht zuletzt hat ein Abschreibefehler zahllosen Kindern einen besonders gesunden, weil eisenhaltigen Spinat beschert. Auch Michelangelos Moses hat deshalb statt eines Strahlenkranzes Hörner auf der Stirn. Und das Kamel geht nicht durch das Nadelöhr sondern ein Tau (Seil). Im Paradies warten auf einen Moslem auch keine Jungfrauen, sondern viel textlich eher „weiße Trauben“ (paradiesische Köstlichkeit für einen Wüstenkrieger). Die gesamte Erforschung von Gesundheit, Krankheit und Ernährung ist voll von derartigen Berichtigungen. Das ist eben Wissenschaft und das ist Fortschritt. Der Glauben dagegen ist statisch und steht dabei stets und immer zunehmender im Widerspruch zum Wissen. Alles, was religiös schon zur Schöpfung, zu Naturgesetzen, dem Universum oder im medizinischen Bereich  verkündet und erklärt wurde, hat sich immer wieder als grotesk falsch erwiesen.  Mit den Erfordernissen des Glaubens wurde Wissenschaft gerade im medizinischen Bereich immer wieder schärfstens bekämpft. Doch heute vertraut auch ein Papst lieber seinem Arzt als allein auf Gebete zu setzen, und er vertraut in seinem Papamobil auch lieber dem Panzerglas als einer Kugel ablenkenden Maria. Dem Glauben den absoluten Vorrang einzuräumen, ist bis heute klerikale Auffassung und kostete im Laufe der Geschichte schon tausende Menschenleben.

Schließlich wird jeder Gläubige auch angeben, dass er „glaubensgewiss“ sei. Er weiß, dass ein Priester Wein in Blut verwandeln kann, er weiß, dass Jesus ihn durch seinen Tod von seinen Sünden erlöst hat, er weiß, dass die Zwangsmissionierung und Kreuzzüge dem Willen Gottes entsprochen haben. Doch   Fakler bleibt bei diesem „Wissen“ eben nicht stehen und fordert am Ende deshalb vollständig schlüssig: Denken statt glauben. Mit dieser Forderung steht ein Gläubiger dann wohl ziemlich ratlos da. Denken ist schließlich genau das, was ihm als Kind in religiösen Frage aberzogen wurde. Mit welchen Denkoperationen soll denn ein Mensch zum Glauben gelangen? Glauben kommt nur daher, dass wir Menschen oder ein konkreter Mensch sich eben ein Phänomen nicht erklären kann. Aber viele Phänomene wurden inzwischen entschlüsselt. Man muss keine Opfer bringen und schon gar keine menschlichen, damit die Sonne am nächsten Tag wieder aufgeht. Beschnittene sterben genauso wie Unbeschnittene, gleiches gilt für Fastende oder Betende. Nichts ändert sich – und das erkennt man, wenn man dem Denken endlich den Raum zubilligt, den uns als Menschen mit unserem Gehirn geschenkt wurde. Das ist kein Gottesbeweis, wie immer verschleiernd als Argument vorgetragen wird, sondern nur das Eingeständnis, dass wir viele Dinge der Evolution und des Universums nicht erklären können. Religionskritik setzt deshalb nicht an einem diffusen Gottesbild an, sondern lässt sich nicht davon abbringen, genau den Gott oder die Götter ins Visier zu nehmen, die mit Anspruch auf göttliche Weisheit und Inspiration nach ihren Texten daherkommen. Fakler nimmt sich hierbei nicht nur das Christentum sondern in einigen Punkten auch den Aussagen des Islams an. Keine Religion unterscheidet sich von einer anderen. Kulturbedingt und durch die Aufklärung eines besseren belehrt, musste sich das Christentum im Umgang mit Kritikern zurücknehmen. Ob dies dem Islam in gleicher Weise gelingen wird, erscheint gegenwärtig äußerst fraglich. Aber das muss auf sich beruhen.

Einen Aspekt hat Fakler nicht in den Blick genommen. Aber sicherlich nicht, weil er hierzu eine andersartige Auffassung hätte: die Beichte. Diese ist für mich ein Höhepunkt klerikaler Manipulation. Ein Geständnis über ein Vergehen oder Verbrechen mag für einen Täter sicherlich entlastend wirken, dies aber mit göttlicher „Vergebens-Kompetenz“ auszustatten, ist für mich Hybris und Blasphemie reinsten Wassers.

Wenn Lehrer nicht wissen, was sie im Fach Ethik unterrichten sollen oder jemand nach ethischer Orientierung sucht, so findet er in diesem Buch reichlich Anschauungs- und Denkmaterial. Kein Urteil ist so falsch wie das, dass Religionen ethische Orientierung vermitteln (z,B. Buggle, Denn sie wissen nicht, was sie glauben; Theo Logisch (Ps.), Das ist euer Glaube). Solange noch an eine Jungfrauengeburt, leibliche Himmelfahrt und ein Weiterleben nach dem Tod geglaubt wird, stehen die Aussichten schlecht, dass sich in dieser Welt etwas grundsätzlich ändert. Das Menschsein zeigt sich im Diesseits nicht im Jenseits. Das Glaube schon immer als Legitimation für Herrschaft missbraucht wurde, ist immer noch nicht überwunden (Verfassungsrechtlicher Auftrag zur Ablösung der Staatsleistungen wird nächstes Jahr genau seit 100 Jahren ignoriert). Was bei Fakler nicht im Blick ist: Die Glaubenstreue der überwiegenden Anzahl der Politiker, das Gewähren und Beibehalten von Privilegien (Religionsunterricht; Staatsleistungen etc.) und der unermessliche Reichtum der Kirche/n. Aber dazu kann man an anderer Stelle mehr lesen. Wenn man erst einmal eine Frage im Raum steht, sollte, kann und muss man mit dem Denken beginnen – und mit dem Lesen dieses Buches.