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Roland Fakler

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Ortskunde Reusten

Meine ortskundliche Führung durch Reusten am Samstag den 20. August 2022

Tagblatt Tübingen

Gäubote Herrenberg

Tagblatt 2022-08-20 Tübingen

Sensationsfunde und ungeklärte Fragen

Kennen sie Ammerbuch – Von Sophie Holzäpfel

Bei einem Spaziergang durch Reusten vermittelte Roland Fakler erschreckende, aber auch amüsante Einblicke in die Ortsgeschichte

Von den ersten Siedlungen bis zur NS-Zeit reichte der ortskundliche Spaziergang durch Reusten am Samstagnachmittag. „Dieses Dorf hat eine ungeheuer spannende Geschichte“, sagte Autor Roland Fakler zu Beginn des Rundgangs durch den zweitkleinsten Teilort von Ammerbuch. Rund 30 Interessierte begaben sich mit ihm auf historische Spurensuche.

Bei Grabungen auf dem Kirchberg, dem „Hausberg em Flägga“, so der ehemalige Ortsvorsteher Hans Sautter, wurden jungsteinzeitliche Siedlungen entdeckt. Die ältesten dieser Funde datieren 5000 vor Christus. Rund 30 Hockergräber, ein Schwert und der Rest eines Wollnashorns brachten die Ausgrabungen zutage. Der Reustener Jürgen Parchem zeigte Bilder der Funde. So gilt der Goldring, der 2020 in einem frühbronzezeitlichen Frauengrab entdeckt wurde, als „absoluter Sensationsfund”, sagte Parchem. Es handle sich dabei um das früheste sicher datierbare Goldobjekt im Südwesten.

Solche Funde geben Aufschluss über die Vergangenheit des Dorfes, das sich „im Fluss der Zeit“ befinde, so Fakler. Der Spaziergang führte die Gruppe über den Kirchberg zum „Reustener Sattel“, wo bis in die 1960er-Jahre in Steinbrüchen Kalkstein gebrochen wurde. Kalkstein sei damals nicht nur für Straßen und den Bau von Häusern verwendet worden, sondern in zermahlener Form auch als Dünger, erklärte Fakler. Bis heute gilt der 970-Einwohner-Ort als Selbstversorgerdorf. So gibt es außer einer Honig- und Milchtankstelle die „Metzgerei Egeler” und „den einzigen Michviehbauernhof im ganzen Ammertal“, den die Familie Gauss betreibt; außerdem den Bioladen, gegenüber der Kirche.

Beim ortskundlichen Spaziergang in Reusten mit Autor Roland Fakler ging es über den Ortskern hoch hinaus.

Über den Kochartgraben ging’s vorbei am einstigen Standort der „Burg Kräheneck“. Die frühmittelalterliche Höhenburg wurde zwischen 1000 und 1200 vermutlich als Stammsitz der Herren von Kräheneck genutzt. Die Ruine gibt Historikern bis heute Rätsel auf. „Wir wissen nicht, weshalb sie zerstört wurde“, sagte Fakler. Weiter ging es über den Friedhof zum „Kriegerdenkmal“, das im Herbst 1927 eingeweiht wurde. Das Denkmal erinnert nicht nur an die Reustener Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, sondern soll mahnen.

87 Prozent der Reustener hätten die NSDAP gewählt, so Fakler: „Drei junge charismatische Männer hatten ihren Anteil daran“. So hätten der damalige Ortsgruppenleiter, der Reustener Pfarrer und ein Lehrer mit der Partei sympathisiert. „Kriege sind keine unabwendbaren Naturereignisse, sondern werden von Menschen gemacht“, ist auf einer der Geschichtstafeln am Wegrand zu lesen. Fakler: „Wir müssen achtsam sein. Wir brauchen mündige Bürger.“ Er kritisierte, dass der Ortschaftsrat den Vorschlag, das Denkmal in „Friedensmahnmal“ umzubenennen, abgelehnt habe.

Über steile Treppenstufen ging es hinunter in den Ortskern. Der Spaziergang führte vorbei an der „Ackermann-Skulptur“, dem ehemaligen Waschhaus und dem 1855 errichteten Backhaus. Eine wichtige Station war außerdem die Kelterkirche. Die 1575 erbaute Kelter wurde knapp 200 Jahre später zur evangelischen Kirche umgebaut. Religionskritiker Roland Fakler betonte: „Wir brauchen Werte, die über der Religion stehen: Humanität und Demokratie!”

Vorbei ging’s noch am „Bergcafe“, das über die Grenzen Reustens hinaus bekannt ist. Seinen ersten Besuch dort vor über 40 Jahren werde er nie vergessen, so Fakler: „Ich hatte eine Auseinandersetzung mit der Cafe-Besitzerin Marie, weil ich an einem Sommertag nicht draußen sitzen wollte.“ Er habe die fehlenden Sonnenschirme bemängelt, woraufhin sich diese ereifert haben soll: „Mir hend welche ket, ond gäschd’ hend se hee gmacht!“ Die Erinnerung an die Schwestern Marie und Sophie, die damals das Cafe geführt haben, ließ einige Spaziergänger schmunzeln.

Gäubote Herrenberg

Unter der Ziege verbarg sich das Wollnashorn

Reusten: Roland Fakler taucht beim Ortsrundgang tief in die Geschichte des Dorfes ein. – Von Nadine Dürr

Auf der Breite, auf dem Wolfsberg und im alten Dorf leben heute die Reustener. Das jedoch war nicht immer so, wie Roland Fakler, Autor einer Reustener Ortschronik beim Dorfrundgang „Kennen Sie Ammerbuch?“ am vergangenen Samstag erzählte. Der Kirchberg war es, der die hauptsächlich vom Ackerbau lebenden Bandkeramiker vor rund 7000 Jahren nach Reusten lockte. Davon zeugen archäologische Funde wie Teile eines Langhauses oder ein Tragegefäß der Rössener-Kultur, das man in einem Frauengrab entdeckte. “Die Bandkeramiker hatten eine dunkle Hautfarbe, schwarze Haare und schwarze Augen. Sie glaubten wohl an eine Wiedergeburt. Daher die Grabbeigaben“, erklärte Jürgen Parchem, der die Grabungen als ehrenamtlich tätiger Verbindungsmann zwischen den Landwirten und dem Denkmalamt begleitet. Doch die auf dem Kirchberg gefundenen Spuren reichen noch weiter in die Vergangenheit zurück: Bei den Arbeiten an einer bronzezeitlichen Nekropole an den Hockergräbern fand man, so Parchem, eine Ziege und darunter: ein Stück Wollnashorn aus der Altsteinzeit!

Ehe sich die Spaziergänger vom Parkplatz am Berghaus zur nächsten Station aufmachten, merkte der ehemalige Ortsvorsteher Hans Sautter noch etwas zur jüngeren Geschichte an: „Der Flugplatz Hailfingen – Tailfingen hatte Einfluss bis hierher. Hier stand im Krieg ein riesiger Scheinwerfer und eine Vierlingsflak.“ Auch die auf dem Reustener Sattel stehende Kaiserlinde hatte ihren Ursprung in einem Krieg, wie Fakler weiß: Nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich hatte man den Baum zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs gepflanzt. „Die Linde“, führte der ortskundige Reustener aus, „erlebte ein Drama, als die Gemeinde sie 1997 fällen wollte”. 4000 Unterstützer unterschrieben die Petition einer Bürgerinitiative, die den Baum erhalten wollte. Tatsächlich habe dieser die Stürme Lothar und Wiebke überlebt, fand 2005 dann allerdings doch sein jähes Ende, als die Schäden überhandnahmen. „Es bilden sich aber schon vier neue Stämme, und einer wird die neue Kaiserlinde werden“, stellte Fakler in Aussicht.

Ebenfalls nicht aus dem Dörfchen wegzudenken ist das nahe gelegene Bergcafe. Seine erste Begegnung mit dem berühmten Wirtinnen-Duo Marie und Sophie vor 40 Jahren schilderte Fakler in aller Ehrfurcht. Erdreistet habe er sich seinerzeit, den beiden Schwestern die Anschaffung von Sonnenschirmen für die Terrasse ans Herz zu legen, woraufhin ein verbales Donnerwetter auf ihn einprasselte. Umgehend habe er den beiden Frauen die Friedenspfeife gereicht und in der Causa „Sonnenschirme“ sei man übereingekommen: „D Gäscht hend se hee gmacht, d Gäscht solleds biaßa.” Bekannt war Reusten überdies für den Abbau von Kalkstein im Tagebau.  „Es gab”, erzählte Fakler, „vier bis fünf Steinbrüche, der letzte wurde 1968 geschlossen.” Wälle hätten die jungsteinzeitlichen Siedler damit gebaut, zudem diente das Sedimentgestein als Dünger und zum Bau von Kellern. Vorbei an den Bäumen, die die Gemeinde auf dem Kirchberg für die im Krieg vermissten und gefallenen Soldaten gepflanzt hatte, ging es zum Platz der ehemaligen Burg Kräheneck. „Wir wissen nicht, wer sie baute und zerstörte“, berichtete Fakler. Es muss jedoch in der Zeit um 1000 bis 1200 gewesen sein, als die Zungenburg den Hügel zierte. Genutzt worden, so Fakler, sei sie wohl an Gerichtstagen zur Unterkunft und Verpflegung. In der Zeit des Nationalsozialismus habe man den Ort dann auf den Namen Adolf-Hitler-Platz getauft und bis heute nicht umbenannt. „Man sieht da auch noch einen Ständer aus der glorreichen Zeit“, ergänzte Fakler spöttelnd. „Er wurde so tief einbetoniert, dass er mindestens 1000 Jahre lang hält“.

Am Friedhof angekommen, galoppierte der Autor der Reustener Ortschronik dann durch die Geschichte – von der Kelten- über die Römerzeit bis hin zu den Alemannen, die dem Dorf Reusten seinen Namen gaben. Die Grafen von Nagold – später: Tübingen – verkauften den Flecken dann 1293 an das Kloster Bebenhausen, das jahrhundertelang als Dorfherr fungieren sollte. Mit der Übergabe Reustens an die Grafen von Württemberg wurden die Dorfbewohner schließlich evangelisch.

Bitter dann der Dreißigjährige Krieg: 45 von 85 Reustener Wehrpflichtigen fielen. Auch in den beiden Weltkriegen zahlte das Dorf ,laut Fakler, einen hohen Tribut. Wohl aufgestachelt von drei charismatischen Reustenern, darunter der Lehrer und der Pfarrer, nahm das Unglück seinen Lauf. „87 Prozent wählten in Reusten die NSDAP”, wusste der nun am Kriegerdenkmal angekommene Ortshistoriker. Das Mahnmal in ein Friedensdenkmal umzubenennen, sei am Ortschaftsrat gescheitert. Jürgen Parchem jedoch hat die Grabsteine zweier qualvoll im Lazarett gestorbenen Soldaten nahe dem Denkmal aufgestellt. Dem Mythos, dass alle Gefallenen „auf dem süßen Felde der Ehre starben“, will er damit etwas entgegensetzen.

Vorbei am Waag-, Wasch- und Backhäusle ging es zum Schluss zur evangelischen Kirche, eine ehemalige Kelter, die, nachdem das Gotteshaus auf dem Kirchberg verfallen war, umfunktioniert wurde. Die beiden stillgelegten Reustener Mühlen konnten die Spaziergänger nicht mehr besichtigen. Reinhold Bauer, einst Müllersknecht bei der Mühle Schill, erzählte abschließend jedoch farbenfroh von den nach Reusten gebannten Hailfingern und Tailfingern und der vom Müller eingezogenen Milter.

 

Neue Auflage Nov. 2020      

Der Link zum Youtube – Film

Dieses Buch gibt einen Überblick über Reusten, einem malerischen Dorf in der Gemeinde Ammerbuch, Kreis Tübingen. Vor allem geht es darum, seine interessante Geschichte zusammenhängend, übersichtlich und verständlich darzustellen, von den jungsteinzeitlichen Funden auf dem Kirchberg, bis zu den Ereignissen, die die Bewohner im Jahr 2020 bewegen.

Mein Buch

Reusten und seine Geschichte

DINA5 136 Seiten 80 Bilder 26 farbige Seiten

Herstellung und Verlag:

Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN-13: 978-3-8370-4383-9

im Buchhandel (14 Euro) erhältlich.