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Roland Fakler

Schöne Aussicht unter dem Galgen runter ins Tal

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Schöne Aussicht unter dem Galgen runter ins Tal

Gäubote Herrenberg

2004_09_08

Von Birgit Spies

2004_09_20BetteleicheEin Plätzchen zum Verweilen – das war auch früher so: Bank an der Betteleiche in Reusten GB-Foto: Holom

Ammerbuch-Reusten – Fertig gestellt und der Öffentlichkeit präsentiert wurde jetzt die zweite Station des Reustener Geschichtspfads: eine massive, hölzerne Bank rund um die ( “neue”) Betteleiche und eine Schau-Tafel, die mit ihrer Beschriftung und einer Fotografie an die alte Betteleiche erinnert.

Die neue Betteleiche am Eingang zum Reustener Hardtwald ist nun auch schon etwa 70 Jahre alt. Sie steht in unmittelbarer Nähe zum großen Stumpf der ursprünglichen Betteleiche, die in den 70er Jahren von einem Sturm gefällt wurde. Jetzt wurde der Platz zwischen diesen beiden Bäumen gestaltet und mit Ansprachen und einem Umtrunk der Gemeinde und der Öffentlichkeit zur Nutzung übergeben.

Für die Bank dankte Ortsvorsteherin Christel Halm dem Reustener “Rentner-Team”, das das wieder einmal bewerkstelligt hatte, nachdem es schon bei der Sanierung des Backhauses mit Hand angelegt hatte. Ortschaftsrat Willi Schill hatte die Anregung gegeben: “Machet doch wieder eine Bank um die Eiche.” Alfred Dessecker, Alois Holzner und Egon Koch folgten ihr, gemeinsam fertigten sie die sechseckige, massive Holzbank, die nun die “neue” Betteleiche schmückt und zum Verweilen einlädt. Halm: “Mit diesen Kerle kann man den Flecken umtreiben.”

Aber auch Halm selbst erhielt Dank und zwar von Jürgen Parchem vom Reustener Geschichtsverein, der ihr Blumen überreichte und deutlich machte, wie wichtig es war, dass Halm die Gruppe unterstützte und auch das Archiv geöffnet hatte. Einst hatte Halms Schwiegervater Hans Halm dieses Archiv ordnen lassen, was “schon ein bissle Geld gekostet habe”, heute sei man dankbar dafür.

Denn gefunden hat man darin in der Ortschronik des Lehrers Paul Gros von 1932 eine Fotografie der alten Betteleiche und ein Gedicht, das die Aussicht preist, die man von ihrem Platz aus genießen kann, über “die Wiesen im Ammertal” bis hin zur Wurmlinger Kapelle und zum Albbrand. Und schließlich fand man auch einen alten Bericht des “Gäubote” von 1905. Dieser zeigt, dass der Platz an der Reustener Betteleiche einst auch ein Treff- und Sammelpunkt des “fahrenden Volks” der Zigeuner war.

Alles das ist auf der Schau-Tafel zu sehen und wurde von Roland Fakler erläutert, der zudem, bevor abschließend Freibier an das auf den aufgestellten Bierzeltbänken sitzende Publikum ausgeschenkt wurde, vier mögliche Bedeutungen der Benennung “Betteleiche” vorstellte.

Zunächst: So genannte Bettelmönche schlugen im Mittelalter Kerben in die Baumstämme von Eichen und Reisende legten in diese Vertiefungen Spenden und Bittgebete. Das genaue Alter der Reustener “alten” Betteleiche, deren Stumpf noch da ist, ist nicht bekannt. Da es aber durchaus auf über 500 Jahre geschätzt wird, der Hardtwald einst zum Kloster Bebenhausen gehörte und unweit der Betteleiche einmal ein Bußweg war, erscheint diese Theorie als durchaus plausibel. Eine andere leitet die Betteleiche von den Begriffen “Betteläcker” oder “Bettelrain” ab, beide bezeichnen magere Böden. Drittens und viertens leiteten Fakler und Parchem den Begriff der “Betteleiche” von “betteln” ab. Angeklagte die unter Umständen an diesem Ort ihr Leben ließen, um das sie “bettelten”, denn unweit der Reustener Eiche befindet sich die Flur “Galgeneggert”, ein alter Gerichtsplatz. Oder schließlich im Zusammenhang des Baums als Versammlungsort des “fahrenden Volks” der Zigeuer war.
 
 
Gedicht eines Unbekannten aus der Ortschronik von Lehrer Gros 1932

“Wer sich etwa an einem schönen Abend auf die hübsche Bank an der Betteleiche setzt und von diesem Ort aus in das Land schaut, dessen Herz wird reich und wenn es gleich bettelarm ist.

Der Ausblick von hier ist noch köstlicher als der von der Schulmeisterbuche, weil er auch an die ferne Dämmerung der Schwarzwaldhöhen streift und ein gar lebhaftes Geländewellenwogen trifft, das hübsch ausgeglichen, wundersam anspricht.

Zur Linken schreiten die stattlichen Schönbuchausläufer nahe an das Ammertal heran und heben in würdiger Haltung die Kleinodien Hohenentringen und Roseck in die sonnenverklärte Landschaft.

Geradeaus gegen Südosten schwimmt die Wurmlinger Kapelle in wohltuender Seelenruhe über dem Wellengekräusel der Landschaft.

Im Hintergrunde aber steigert sich die Lebhaftigkeit des Landschaftsbildes in der Wucht der Albkette zur Majestät. Wer die meisterhafte Linienführung der Albkette und vor allem die berückende Form mancher Albriesen einmal gründlich betrachten will, der setze sich einige Zeit auf die Bank an der Betteleiche.

Wie ein Wunder, anders kann ich es nicht sagen, zieht es da an seinen Augen vorüber. Die letzten Strahlen der heimkehrenden Sonne, welche in goldenem Geleuchte über den Schwarzwaldhöhen aufjubelt, fallen an die Stirnen der Albberge, und die weiten Dächer der Buchenwälder dort glänzen wie Kupfer.

Aus dem Tannenwald bei Oberndorf rücken schwere Schatten.

Über Tübingen glüht eine Fensterscheibe im Abendsonnenschein.

Die Wiesen im Ammertal legen sich in die kühlen Schatten des Abends.

Die Wurmlinger Kapelle aber spricht das Abendgebet.”