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Roland Fakler

Gottlose in der Bibel

Sind Gottlose böse und ungerecht?

von Roland Fakler

Immer wieder stoße ich bei Konfirmandensprüchen, in Gesangbüchern, bei Inschriften auf Bibelzitate, mit denen „Gottlose“ ganz offensichtlich herabgewürdigt werden. Vor kurzem starb ein älterer Bekannter, was mir die Gelegenheit gab, beim Trauergottesdienst seinen Konfirmandenspruch zu hören: „… ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause, denn wohnen in der Gottlosen Hütten“.[1]

Auf einer festlichen Tafel zur Einweihung unserer Dorfkirche 1760 steht: Ich hasse die Versammlung der Boshaften und sitze nicht bei den Gottlosen.[2] Die Tafel wurde inzwischen auf den Dachboden verbannt, wo sie niemand mehr sieht und hoffentlich niemanden mehr inspiriert. Vielleicht ist da jemandem aufgefallen, dass damit nicht Liebe, sondern Hass gesät wird?

Gibt man in eine Online Bibel wie www.biblegateway.com das Suchwort „gottlos“ ein, kommt man auf 298 Treffer. Zum Glück, möchte man sagen, sind davon nur 13 im Neuen Testament, die meisten in der Alten hebräischen Bibel. Inzwischen ist man unter Pfarrern auch etwas sensibler geworden mit diesen „Hetzparolen“. In Predigten hört man sie wohl kaum mehr. Manchmal wird auch der „gefährliche“ Teil weggelassen, wie bei diesem Spruch: „Harre auf den HERRN und halte seinen Weg, so wird er dich erhöhen, dass du das Land erbest;

(folgender Teil wird weggelassen) „du wirst es sehen, dass die Gottlosen ausgerottet werden“.[3]

Rückmeldungen hierzu wären interessant.

Die Gottlosen werden immer mehr und lassen sich nicht mehr alles gefallen. Sie sind schwerlich auszurotten. Sie können nicht einmal mehr zum Schweigen gebracht werden.

Gottlos“ wird in der Bibel stets mit negativer Bedeutung verwendet. Der Gottlose wird vor allem gerne als Gegensatz zum Gerechten genannt z.B. „Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen?“[4]  „der Gerechte kann nicht gleich sein mit dem Gottlosen“.[5]

Den Gottlosen werden ganz üble Eigenschaften zugesprochen

Das Übel beginnt angeblich schon vor der Geburt: „Die Gottlosen sind verkehrt von Mutterschoß an; die Lügner irren vom Mutterleib an.“[6] Auf ihren Rat sollte man nicht hören. [7] Von den Gottlosen kommt die Untugend.[8] „Der Gottlose borgt und bezahlt nicht; der Gerechte aber ist barmherzig und gibt.“[9]  „Heimlich spannen sie die Pfeile und schießen auf die Frommen“.[10]  Der Gottlose lauert auf den Gerechten und gedenkt ihn zu töten“.[11] „Des Gottlosen Lust ist, Schaden zu tun;“…[12] „Der Gottlosen Reden richten Blutvergießen an;“[13]

„Ein gottloser Bote bringt Unglück“…[14] „Der Gerechte braucht sein Gut zum Leben; aber der Gottlose braucht sein Einkommen zur Sünde“.[15] „Denn sie haben ihr gottloses und falsches Maul gegen mich aufgetan und reden wider mich mit falscher Zunge“;[16] „Aber die Gottlosen sind wie ein ungestümes Meer, das nicht still sein kann, und dessen Wellen Kot und Unflat auswerfen“.[17]

„Die Gottlosen grünen wie das Gras, und die Übeltäter blühen alle, bis sie vertilgt werden immer und ewiglich“.[18]

Wie sollte man sich ihnen gegenüber verhalten?

„Weichet von den Hütten dieser gottlosen Menschen und rührt nichts an, was ihr ist, dass ihr nicht vielleicht umkommt in irgendeiner ihrer Sünden“.[19] „Dem Gottlosen soll kein Beistand geleistet werden.“[20] Selbst die Kinder gottloser Leute sind verachtenswert.[21] „Er hat Schläge verdient für seine Missetat“[22] und sollte am besten von der Erde verschwinden.[23]

Sollte man da nicht ihr Blut fordern und sie vom Erdboden verschwinden lassen?[24]

„Ach dass die Gottlosen müssten zur Hölle gekehrt werden, alle Heiden, die Gottes vergessen!“[25]

„Und dort sollen sie schweigen“.[26]  „Den Gottlosen wird das Unglück töten“…;[27]

„Eine Stadt freut sich, wenn’s den Gerechten wohl geht; und wenn die Gottlosen umkommen, wird man froh“.[28] Ein weiser König zerstreut die Gottlosen und bringt das Rad über sie.[29]

„…und Feuer ward unter ihrer Rotte angezündet, die Flamme verbrannte die Gottlosen“.[30]

Welche Strafe droht von Gott?

Gott lässt den Gottlosen niemals Recht haben.[31] Er muss immer verdammt werden.[32] Aber seid getrost:

„Der Herr wird sie zermalmen“[33] „und „zerschmettert das Haupt im Hause des Gottlosen“[34] „Denn die Gottlosen werden umkommen; und die Feinde des HERRN, wenn sie gleich sind wie köstliche Aue, werden sie doch vergehen, wie der Rauch vergeht“.[35]

„Der HERR hat zu rechten mit den Heiden und will mit allem Fleisch Gericht halten; die Gottlosen wird er dem Schwert übergeben, spricht der HERR“.[36]

„Jeden Morgen will ich vertilgen alle Gottlosen im Lande, dass ich alle Übeltäter ausrotte aus der Stadt des HERRN“.[37]

Gott hat sie ausgestoßen, damit die Rechtgläubigen das Land besetzen können: „Wenn nun der HERR, dein Gott, sie ausgestoßen hat vor dir her, so sprich nicht in deinem Herzen: Der HERR hat mich hereingeführt, dies Land einzunehmen, um meiner Gerechtigkeit willen, wo doch der HERR diese Heiden vertreibt vor dir her um ihres gottlosen Wesens willen.“[38]

„Er wird regnen lassen über die Gottlosen Blitze, Feuer und Schwefel und wird ihnen ein Wetter zum Lohn geben“.[39] „Er hasst die Gottlosen, die gerne freveln“.[40] ; „der Gottlosen Same wird ausgerottet“.[41]

Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache sieht…

„Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache sieht, und wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut“,[42] „Ja du wirst mit deinen Augen deine Lust sehen und schauen, wie den Gottlosen vergolten wird“.[43]

Was wäre zu tun?

Nun könnte man vermuten, dass die Zeiten Luthers, aus dessen Übersetzung ich hier zitiere, vorbei sind und dass neuere Übersetzter „gottlos“ anders übersetzen. Leider ist dem nicht so. Selbst in der neuesten Ausgabe, die ich online prüfen konnte „Schlachter 2000“ hat sich an der Verwendung des Wortes „gottlos“ nichts geändert.

Ich würde vorschlagen es durch „böse“ oder „unmoralisch“ zu ersetzen, denn es ist doch klar, dass dieses Gift aus einem angeblich „heiligen“ Buch sich gegen den immer größer werdenden Anteil der Gottlosen richtet und schlimme Vorurteile schürt. Die Abwertung von Menschen beginnt im Kopf.

Wieviel Unheil und Verfolgung, wieviel Kriege, Hass und Unglück dieses Gift angerichtet hat, das nun schon zwei oder drei Jahrtausende wirkt, ist schwerlich zu überschätzen. Das wird am ehesten dem klar, der weiß, dass die Bibel jahrtausendelang für das christliche Abendland Maßstab und Richtlinie des Handelns war. Viele Evangelikale, die Zeugen Jehovas, bibeltreue Christen und Juden halten diese schrecklichen Sätze immer noch für das unfehlbare Wort Gottes. Das kann nicht ohne Folgen bleiben! Wenn Gott die Ungläubigen hasst, ist es  nur logisch, dass die Gläubigen ihm helfen, sie in die Hölle zu schicken….und dabei können sie überzeugt sein, eine gottwohlgefällige Tat begangen zu haben und beim Jüngsten Gericht dafür belohnt zu werden. So schafft Religion die Hölle auf Erden! Nur die Kritik kann dem ein Ende setzen.

ID: eed54ecb8f4a4faa80ff1a4a4c9affc9

[1] Psalm 84:10

[2] Psalm 26:5

[3] Psalm 37:34

[4] 1 Mose 18:23

[5] 1 Mose 18:25

[6] Psalm 58:3

[7] Hiob 22:18

[8] 1 Samuel 24:13

[9] Psalm 37:21

[10] Psalm 11:2

[11] Psalm 37:32

[12] Sprueche 12:12

[13] Sprueche 12:6

[14] Sprueche 13:17

[15] Sprueche 10:16

[16] Psalm 109:2

[17] Jesaja 57:20

[18] Psalm 92:7

[19] 4 Mose 16:26

[20] 2 Mose 23:1

[21] Hiob 22:18

[22] 5 Mose 25:2

[23] Hiob 38:13

[24] 2 Samuel 4:11

[25] Psalm 9:17

[26] Psalm 31:17

[27] Psalm 34:21

[28] Sprueche 11:10

[29] Sprueche 20:26

[30] Psalm 106:18

[31] 2 Mose 23:7

[32] 5 Mose 25:1

[33] Hiob 40:12

[34] Habakuk 3:13

[35] Psalm 37:20

[36] Jeremia 25:31

[37] Psalm 101:8

[38] 5 Mose 9:4

[39] Psalm 11:6

[40] Psalm 11:5

[41] Psalm 37:28

[42] Psalm 58:10

[43] Psalm 91:8


Vorurteil

Als Ergänzung poste ich hier noch einen Leserbrief im Schwäbischen Tagblatt vom 24.10.2019

Katerina Murillo Soberanis, katholische Schuldekanin für Berufliche Schulen im Schuldekanatamt Tübingen, schrieb im „Wort zum Sonntag“ am 19. Oktober zum Thema „Machtlos, aber nicht hilflos“.
„Ein gottloser Richter schert sich um keinen und denkt nur an sich Lukas 18:1-8. Da wendet sich eine Witwe an ihn und bittet ihn um Hilfe. Da sie in ihren Bitten so ausdauernd ist, hilft ihr der Richter, um seine Ruhe wieder zu haben. An dieser Stelle benutzt der Evangelist das Stilmittel eines komparativen Vergleiches zu Gott. Wenn schon ein gottloser Mensch einer ausdauernden Bitte nicht widerstehen kann, wird Gott, der dem Menschen zugwandt ist, ihn sicher nicht zurückweisen und ihm sein Recht verschaffen.“

Liebe Frau M. S.,

mit ihrem „Wort zum Sonntag“ festigen sie ein 2500 Jahre altes Vorurteil; dass nämlich „Gottlose“ böse und sozial minderwertige Menschen seien. Diese Ansicht, die vor allem im Alten Testament an mindestens 300 Stellen vertreten wird, im Neuen Testament seltener und im Koran immerhin an 200 Stellen, widerspricht der Kriminalstatistik, die besagt, dass gerade in sehr religiösen Ländern wie Südamerika oder Afghanistan die Zahl der Morde wesentlich höher ist als in den Ländern, in denen die Menschen am wenigsten gläubig sind, nämlich in den nordeuropäischen Staaten. Das mag sicher auch etwas mit dem wirtschaftlichen Zustand dieser Länder zu tun haben, aber dieses pauschale Vorurteil hat sehr viel ungerechtfertigtes Misstrauen gegen „Ungläubige“ geschürt. Es ist Zeit, damit endlich aufzuräumen.

Ungläubige sind Leute, die lediglich von ihren Sinnen und ihrem Verstand Gebrauch machen. Von den Herrschenden wurden sie verfolgt und vernichtet, weil sie sich nicht ihrer Herrschaft fügten und selbstständig denken konnten. Sokrates galt in Athen als Gottloser, ebenso wie die Christen in Rom, weil sie andere Vorstellungen von Gott hatten als es die Staatsreligion vorschrieb. Also: Solange der einzig wahre und richtige Gott es nicht für nötig hält, jedermann und jederfrau seine Existenz klar und überzeugend zu beweisen, ist es auch nur verständlich, wenn es „Gottlose“ gibt. Mehr zum Thema auf: https://rolandfakler.de/gottlose/