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Roland Fakler

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Proletarier und Privatgelehrter

Proletarier und Privatgelehrter

Jürgen Parchem und Roland Fakler: Auf der Spur Reustener Geschichte und Geschichten

2003BildGaubotePrivatgelehrter

Gäubote Herrenberg 

2. August 2003

Jürgen Parchem und Roland Fakler

Foto: Bäuerle

AmmerbuchReusten Sie bezeichnen sich selbst als „der Proletarier und der Privatgelehrte“. Getränkekaufmann Jürgen Parchem und Künstler Roland Fakler sind in der Tat ein ungleiches Paar. Eine gemeinsame Passion jedoch eint das ungewöhnliche Gespann: Das Interesse an der Geschichte ihres Heimatortes Reusten ist es, das die beiden Männer zu Verbündeten macht.

Erstaunlicherweise stammt jedoch keiner der beiden Hobbyhistoriker gebürtig aus Reusten. Genau diese Tatsache hat Jürgen Parchem und Roland Fakler aber schließlich dazu gebracht, sich mit der Geschichte des Kleinods an der Ammer zu beschäftigen. „Als ich vor 27 Jahren nach Reusten gezogen bin, habe ich mir immer ein Buch über die Geschichte des Ortes gewünscht“, erzählt der 50 jährige Künstler. Um sich selbst und künftigen Neubürgern diesen Wunsch zu erfüllen, hat Fakler in den letzten Jahren Bücher gewälzt und Recherchen betrieben. Die Ergebnisse seiner Arbeit hat er in seinem Buch „Reusten und seine Geschichte“ zusammengefasst.

Jürgen Parchems Motivation, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, ist eine andere: Die familiären Wurzeln des 47 Jährigen führen nach Polen, über seine geschichtliche Herkunft konnte Parchem nur wenig herausfinden. Dass sich viele Menschen kaum für ihre Vorfahren interessieren, kann der Getränkehändler nicht verstehen: „Es tut mir weh, dass Leute, die die Möglichkeit dazu haben, etwas über ihre Vorfahren herauszufinden, gar kein Interesse daran haben.“ Als Vorreiter will er den Reustenern ein Beispiel geben, wie spannend es sein kann, tief in die Geschichte der eigenen Heimat einzutauchen. „Wir können stolz sein auf unsere Tradition, doch leider ist unsere Gesellschaft schon viel zu amerikanisiert“, bedauert der passionierte Hobbyhistoriker. Sein Anliegen ist es, seinen Mitbürgern „Selbstverständnis vor der Haustüre“ zu geben. Ein praktisches Beispiel lebendiger Geschichte hat Jürgen Parchem eigenhändig und im Schweiße seines Angesichts abgegeben. Von 1984 bis 1996 renovierte er einrund 240 Jahre altes Fachwerkhaus in der Wintergasse. Aus einer verwahrlosten Ruine hat Parchem ein Schmuckstück gezaubert, das die Blicke auf sich zieht. Von den architektonischen Entwürfen über den Ausbau des Dachstuhls bis hin zur Fachwerk Restauration Jürgen Parchem hat fast alles in Eigenregie bewältigt. Für das Geld, das der Reustener in den Ausbau gesteckt hat, bekommt man im Regelfall nicht einmal eine Eigentumswohnung. Man muss also kein Millionär sein, um sich ein derartiges Domizil zu schaffen: „Ich möchte auch jungen Leuten den Ansporn geben, so etwas einem Neubau vorzuziehen“, erklärt Jürgen Parchem.

Zwei sich ergänzende Ansätze

Der Proletarier und der Privatgelehrte, der Praktiker und der Theoretiker. Während sich Roland Fakler gerne ins Studium alter Chroniken vertieft, packt Jürgen Parchem gerne selbst an und baut so eine sichtbare Brücke „von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft“. Zwei Ansätze, die sich trotz allem nicht widersprechen, sondern vielmehr ergänzen. Einig ist sich das Gespann darin, dass sie die Geschichte „von unten“ her aufarbeiten möchten: „Wir wollen nicht die Geschichte der Aristokratie, sondern die der einfachen Leute aufklären“, erläutert Jürgen Parchem. Konventionelle Geschichtsbücher seien oft zu sehr dem Adel und dem Klerusverpflichtet, Reusten aber ist seit jeher einlandwirtschaftlich geprägtes Dorf. Davon zeugen viele Kleindenkmale wie Feldkreuze, Gedenk, Kilometer und Grenzsteine. Seit ein paar Wochen mischt sich daher ein weiteres Projekt unter die geschichtlichen Recherchen der Hobbyhistoriker. Parchem und Fakler dokumentieren solche Kleindenkmaie in Wort und Bild für das Landesdenkmalamt, um die steinernen Zeitzeugen vor dem Vergessen und der Zerstörung zu bewahren. Die beiden Herren spüren Gerüchten nach, räumen mit Vorurteilen auf oder bestätigen die eine oder andere Legende. Farbig, schillernd, detailverliebt: Stoßen Parchem und Fakler auf ein interessantes Faktum, schwingt sich ihre Phantasie empor. Bis 1765 habe es unter der Regentschaft Herzog Carl Eugens den „Frauenzechtag“ gegeben, an dem sich die Reustener Bürgerinnen einmal im Jahr an den herzoglichen Tropfen aus den Weinbergen um Reusten gütlich tun durften. Dann wurde das Privileg abgeschafft. Ein Jahrspäter ging das Rathaus in Flammen auf. Hier erwacht Jürgen Parchem’s kriminalistisches Interesse: Haben die Frauen aus Rache den Brand gelegt? Ob nun Vermutung oder heiße Spur Stoff genug für einen Roman liefert die These allemal.

  • Die Kleindenkmale, die Jürgen Parchem und Roland Fakler gemeinsam dokumentieren, befinden sich oft außerhalb des Heimatortes und sind schwer zu finden. Daher sind die Hobbyhistoriker auf das Wissen und die Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen.
  • Hinweise nehmen Jürgen Parchem, Telefon (0 70 73) 24 27, und Roland Fakler, EMail rolandfakler@gmx.de. entgegen.

„Ze Rusten an des Kuniges Straß“

„Ze Rusten an des Kuniges Straß“
Auf den Spuren der 6000-jährigen Geschichte von Reusten im Ammertal

Tagblatt 24.03.2003 (kj)

ZeRusten

Vor dem Rathaus zeigte Roland Fakler seine künstlerischen
Rekonstruktionen des Dorfs.
Bild: Mozer

REUSTEN Von der vorzeitlichen Siedlung bis hin zum Kalksteinbruch aus den 60er Jahren: Hobbyhistoriker Roland Fakler führte am Samstag Nachmittag gut zweieinhalb kurzweilige Stunden lang durch Reustens bewegte Geschichte.

Am heutigen Rathaus ging es los, über die Kelterkirche aus dem 18. Jahrhundert, die mittelalterliche Zehntscheuer, und schließlich hinauf auf den Kirchberg sozusagen zurück in die Ortsgeschichte hinein. Die ältesten Siedlungsspuren, so Fakler, wurden 1921 auf dem Kirchberg ausgegraben. Auf der Ostseite des Berges, dem heutigen Friedhof gab es von etwa 5000 bis 800 vor Christus Siedlungsplätze, das fanden Tübinger Archäologen heraus. Ihre Funde wie Steinwerkzeuge und Knochengeräte sind im Tübinger Schlossmuseum ausgestellt. In römischer Zeit verlief eine der wichtigsten Verbindungsstraßen von Rottenburg nach Pforzheim über den Reustener Wolfsberg. Den Weg da hinauf ersparte Fakler seinen Zuhörern; heute sind davon keine Spuren mehr sichtbar. Bis 1806 behielt die Straße – in einer Urkunde wird „Rusten an des Königs Straß“ dadurch beschrieben ihre Bedeutung, dann wurde sie nach Entringen verlegt. Wann die Reustener ihre Berge verlassen und sich im Tal angesiedelt haben, kann man heute schwer sagen. Möglich ist, dass schon die Alemannen (260 bis 745 nach Christus), von denen man am Kirchberg Gräber fand, an der Ammer wohnten. Sie waren es jedenfalls, die Reusten seinen Namen gaben: „Rusto“ ist ein alemannischer Vorname. Ins Tal umziehen musste auch die mittelalterliche Heiligkreuz Kapelle auf dem Kirchbcrg. 1753 war sie so baufällig, dass sie geschlossen wurde. Um nicht jeden Sonntag bis zur nächsten Kirche in Poltringen laufen zu müssen, funktionierten die Reustener ihren alten Weinkelter in die heutige Kelterkirche um, in die sie Gemälde und Kruzifix aus der Berg-Kirche integrierten. Geschichte zum Anfassen gab es in der Wintergasse: Jürgen Parchem zeigte seine Sammlung alter Küchen- und Arbeitsgeräte, im liebevoll renovierten Fachwerkhaus. Der 47-Jährige teilt mit Fakler das Interesse an Erinnerungsstücken und Geschichtsorten. Dreschflegel, Butterformen und ein Kohle-Bügeleisen gab es da, das einer Teilnehmerin dann gar nicht so historisch vorkam: „Ja so eines hat meine Großmutter noch gehabt.“ Alltagsgeschichte wusste Fakler auch aus dem Mittelalter zu erzählen: Da war der Druck des Lehenszinses, des Zehnten, den die Grundherren vom Kloster Bebenhausen an der Zehntscheuer von den Bauern abliefern ließen.

Oder das – 1998 liebevoll renovierte – Backhaus neben der Kirche: Einst Treffpunkt und Feuerschutz für die Häuser zugleich.

Den gut 20 geschichtsinteressierten Spaziergängern bot Roland Fakler, auch mit eigenen Bildern von Reusten, einen bunten Rundumschlag von der Vorgeschichte bis in den eben vergangenen Alltag.

Aus Liebe zur Kunst und zur Geschichte

Aus Liebe zur Kunst und zur Geschichte

Gäubote Freitag, 12. Oktober 2001 LOKALE KULTURVON ALEKSANDRA JEFTIC

2001-10-12Gaubot2Bücher über Reusten und Ammerbuch

Roland Fakler will Vergangenheit lebendig erhalten.

Zweites Werk herausgegeben.

Roland Fakler: 2001

„Denken war meine erste Leidenschaft“ GB-Foto: Bäuerle

Er sieht sich selbst als seltsamen Typ. Roland Fakler ist eben ein Künstler. Seit 25 Jahren lebt er einsam und zurückgezogen in Reusten. Vor einem Jahr begann er für sein Buch „Reusten und seine Geschichte“ zu recherchieren. Seit dieser Woche gibt es nun ein zweites Werk, das „Bilderbuch Ammerbuch“. Dabei ist er eigentlich freischaffender Maler.

Etwas ungewöhnlich ist der Lebenslauf des 1953 in Leutkirch geborenen Künstlers schon. Fakler holt weit aus, wenn er erzählt. Mit neun Jahren bat er seine Mutter, ihn in ein Schülerheim zu schicken. Er fühlte sich zu Höherem berufen und konnte den Lärm am heimischen Herd nicht länger ertragen. Doch auch dort fand er nicht die ersehnte Ruhe und betete zu Gott, er möge ihm doch helfen. Als keine Besserung eintrat entschied er sich, einfach nicht mehr an ihn zu glauben. Mit 16 Jahren verließ er das Schülerheim und kam auf’s Gymnasium nach Leutkirch. Nachdem Abitur und der Bundeswehr schrieb er sich an der Uni Tübingen für ein Medizinstudium ein und zog dann nach Ammerbuch.

Schon nach einem Semester merkte er, dass er lieber schreiben wollte. In kürzester Zeit verfasste er einige Romane und Gedichte, die allerdings von über 50 Verlagen abgelehnt wurden. „Denken war meine erste Leidenschaft“, sagt er heute. Dem folgten seine Liebe für Geschichte und für die Kunst. Seit 25 Jahren lebt er als freischaffender Künstler in Reusten ein bescheidenes Leben. „In erster Linie geht es mir um die Entwicklung meiner eigenen Persönlichkeit, um meine Freiheit“, sagt Fakler.

Vor etwas mehr als einem Jahr brachten ihn Nachbarskinder auf die Idee, ein Buch über Reusten zu schreiben. Sie stellten ihm Fragen, die er nicht beantworten konnte: über den Kirchberg, über die Burg und die Römerstraße. Schnell fiel ihm auf, dass nicht nur er diese Fragen nicht beantworten konnte. Es gab auch keine Bücher, die Aufschluss geben konnten. Da beschloss er, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Er sah das als Gelegenheit, seine drei Leidenschaften einzubringen: das Schreiben, sein Interesse für Geschichte und seine Malereien. Durch Zufall stieß er im Bergcafe auf einen Gesprächspartner, der sich in Reusten wie in seiner Westentasche auskennt und willig war, ihm bei seinen Recherchen zu helfen. So kam es, dass Fakler und der 75 Jahre alte Reustener, der“aus Bescheidenheit“ nicht genannt werden will, ein halbes Jahr zusammen saßen und die Reustener Geschichte rekonstruierten. „Wir hätten es ohne einander beide nicht geschafft, dieses Buch zu schreiben“, sagt Fakler. Doch natürlich steckt noch sehr viel mehr Arbeit dahinter: Er wälzte nächtelang Bücher, Chroniken, sprach mit weiteren Reustenern und suchte im Internet nach noch mehr Informationen.

Nach sechs Monaten war „Reusten und seine Geschichte“ fertig. Längst hatte er beim Sammeln der Informationen gemerkt, dass es auch über Ammerbuch kein solches Buch gab und beschloss, auch daran zu arbeiten. Nun ist es fertig. Faklers Bücher sind eine geschichtliche Dokumentation, einfach geschrieben mit farbigen, selbst gemalten Bildern, mit Informationen über Landwirtschaft und Kultur. Die Wappen werden erklärt und Ortsnecknamen verraten. „Eigentlich sollte es ja nur eine dünne Broschüre für Kinder werden“ räumt er ein. Sein Anliegen ist es, dass die Geschichte der Gemeinde Ammerbuch nicht in Vergessenheit gerät.

„Teil der Reustener Geschichte“

Die Reaktionen auf das erste Buch seien fast durchweg positiv gewesen, sagt Fakler. „Einige haben kritisiert, dass ich das Dritte-Reich-Thema aufwärmen würde und haben gefragt, ob ich das nicht weglassen könnte. Aber diese Menschen verstehen nicht, dass dies ein Teil der Reustener Geschichte ist.“ Eine Frau habe in einem Gespräch sogar geweint, da sie die Erinnerungen jahrelang verdrängt hatte. Andere wiederum seien nicht zufrieden mit der Darstellung ihrer Vorfahren oder hätten gerne mehr über sie in dem Buch gelesen. Fakler lässt sich durch solche Reaktionen nicht beirren. Und der Verkauf gibt ihm offenbar recht: Mittlerweile habe er 120 Exemplare des Heimatbuchs verkauft. Nun würde er auch gerne einige seiner Bildern an den Mann bringen, die in den Büchern zu sehen sind. „Die Leute finden die Bilder schön und schauen sie sich gerne an, aber Kaufanfragen hatte ich durch die Bücher leider noch nicht.“ Das ist wohl das schwere Los eines Künstlers.