Entstehung der Bibel
Leserbrief im Tagblatt am 2011-12-10
Blut und Tränen
Lieber Herr P., ewiges Leben hat die Natur nicht vorgesehen. Das ist leider nur ein frommer oder eitler Menschheitswunsch. Ich vertraue da lieber auf meine Vernunft und meine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse als auf heilige Texte. Es gab und gibt nämlich sehr viele heilige Texte, die sich alle gegenseitig ausschließen. Deswegen gibt es so viele verschiedene Religionen und Götter. Auch die Bibel, das Alte und das Neue Testament, ist eine sehr willkürliche Auswahl von dutzenden von Texten. Eine Generation lang wurde das Evangelium mündlich in aramäischer Sprache überliefert, aufgeschrieben wurde es frühestens im Jahre 70 in griechischer Sprache, es wurde x-mal kopiert und manipuliert. Ende des 4. Jahrhunderts gab es mindestens 100 verschiedene christliche Sekten, die sich auf verschiedene Texte beriefen. Von der herrschenden katholischen Kirche wurden willkürlich Texte ausgewählt, die unpassenden verboten und vernichtet. Die gewalttätigen Sieger der Geschichte, das ist die katholische Kirche und der Islam, haben den Menschen ihren Glauben diktiert. Jeder versucht mit himmlischen Versprechungen und höllischen Drohungen so viele Anhänger wie möglich zu gewinnen. Wer an Jesus als Sohn Gottes glaubt, gilt bei den Muslimen als Ungläubiger, der die Hölle verdient und umgekehrt. Das sind doch nichts als menschliche Machenschaften. Man kann solche Texte nicht einfach wörtlich nehmen und so tun als seien es unfehlbare, göttliche Worte, an denen es nichts mehr zu zweifeln gibt. Wenn’s nicht so traurig wäre, wenn deswegen nicht so viel Blut und Tränen geflossen wären und immer noch fließen, müsste man drüber lachen.
Es gab mehrere Evangelientexte, die in der frühen christlichen Literatur existierten. Die bekanntesten sind die vier kanonischen Evangelien des Neuen Testaments:
- Evangelium nach Matthäus
- Evangelium nach Markus
- Evangelium nach Lukas
- Evangelium nach Johannes
Neben diesen gab es zahlreiche apokryphe Evangelien, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden, darunter:
- Evangelium nach Thomas (eine Sammlung von Jesusworten)
- Evangelium nach Maria Magdalena
- Evangelium nach Judas
- Evangelium nach Philippus
- Evangelium der Hebräer
- Evangelium der Ägypter
- Petrusevangelium
Insgesamt sind über 30 verschiedene Evangelientexte bekannt, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums entstanden sind. Viele davon wurden von der Kirche als nicht authentisch oder häretisch angesehen und daher nicht in die Bibel aufgenommen.
Leserbrief im Tagblatt am 2013-07-08
Bibel verstehen unerwünscht
Lieber Herr E.
es ist gar nicht erwünscht, dass das Volk die Bibel versteht. Im Gegenteil: Das Volk soll sich ja gerade seiner beschränkten geistigen Fähigkeiten bewusst werden, indem es nichts versteht. Es soll auf die Auslegung durch seine geistigen Führer angewiesen bleiben. Es soll nicht mündig werden, sondern abhängig bleiben. Nicht umsonst hat die katholische Kirche ihren Gläubigen jahrhundertelang das Bibellesen verboten. Nur so entsteht Hierarchie. Die Hierarchie zwischen denen, die mit ihrer unzulänglichen Vernunft zu begreifen versuchen und den Auserwählten, die bereits einige Stufen höher stehen.