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Roland Fakler

Rezension: Verfolger

Rezension zu Roland Faklers:

 Von Verfolgern und Verfolgten von Roland Weber Mannheim

Ein Buch, das man lesen sollte.

Fakler zeigt anhand der Geschichte, vor allem auch der Kirchengeschichte und den bekannten Akteuren, wie anfällig die Menschheit für Irrglauben, Egoismus und letztlich Dummheit doch ist. Wenn er sein Buch mit dem Untertitel „Lehren aus der Weltgeschichte“ versieht, so überkommen mich doch Zweifel. Bestenfalls kann man mit kritischen Büchern oder Meinungsäußerungen hoffen, diejenigen zu erreichen, die ohnehin der gleichen oder einer ähnlichen Meinung sind. Diejenigen, für die die Ausführungen eigentlich gelten, erweisen sich sowohl in den Führungsetagen als auch gerade in den unteren Schichten dagegen stets schon als „informations- und belehrungsresistent“. Lernen kann man aus der Geschichte in der Tat. Vor allem dann aber auch, wie fragwürdig die Überlieferungen und Einschätzungen sind. Doch dies ist nicht Gegenstand des Buches.

Fakler nimmt sich einige der sogenannten „Größen“ vor. „Groß“ waren merkwürdigerweise – oder eben genau dies verräterischer Weise – vor allem Männer, die über ihre und vor allem andere Völker Krieg, Abschlachten, Töten, Unterdrückung und Verfolgung brachten. Vor allem die kirchliche Geschichtsschreibung machte viele zu „Großen“ und merkwürdige Menschen zu „Heiligen“. Fakler widmet sich nur den Großen. Was war an einem Cäsar „groß“, was an einem Napoleon (auch wenn diese nicht diesen nahezu öffentlichen Titel erhalten haben – behandelt werden sie stets so), was an einem Alexander dem Großen, was an einem Herodes dem Großen, was an einem Konstantin oder Theodosius dem Großen, was an einem Otto dem Großen, was an einem Friedrich II. dem Großen, was an einem Papst Leo oder Gregor dem Großen und den zahllosen sonstigen Großen mit denen man unser Gehirn zupflastert? Gewiss waren sie monströse „Unterwerfer“ und gründeten Reiche oder begründeten Herrschaft. Und vor allem haben sie letztlich durch ihre Taten hunderttausenden Menschen den Tod und Elend gebracht. Man muss sich also fragen, welches Weltbild vertreten diejenigen, die für diese „Größe“ – Zuschreibungen verantwortlich sind und warum sie diese damit indirekt als bewundernswerte Gestalten anpreisen? Offenbar ist und wird das menschliche Gehirn auf Hierarchie geprägt.Mit mehr Recht könnte man all diese Potentaten auch als „Menschenfeinde“ titulieren – und dies Aufzuzeigen ist Faklers Anliegen. Wieviel tote Soldaten wiegen für einen Friedrich den Großen die Einführung der Kartoffel als Nahrungsmittel auf – oder auch umgekehrt!? Verbesserte ein Konstantin die Welt, indem er den Katholizismus förderte und andere Religionen unterdrückte?

Auch wenn der Autor diese Fragen nicht direkt aufwirft, so sucht er in seinen Schlussworten (Die letzte Offenbarung) doch Antworten genau in diesem Sinne.

Seine Frohe Botschaft aus den Lehren der Geschichte und der Geschichte der Religionen (unter Nr.5) lautet daher ganz kurz und ganz einfach:

„Ich möchte, dass die Menschen gut zueinander sind und gebe ihnen dazu mein einziges Gebot: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füge keinem anderen zu!“

Das ist gewiss ein akzeptabler Ansatz, aber selbst hinter diesem bleiben wir eben zurück – und dies ist leider noch nicht alles. Ein Fanatiker hat vermutlich damit nicht einmal ein Problem. In Wirklichkeit – und das sieht auch Fakler so – kommt es aber nicht darauf an, stets mit der Masse zu marschieren, sondern der eigenen Menschlichkeit zu folgen.

Wäre es richtig gewesen, dass jemand in die Hitler-Jugend oder die NSDAP eingetreten wäre, weil auch andere dies tun oder dies müssen? Bürger nicht in „jüdische“ Geschäfte hineinlassen? Dies möge man nicht als provokant, sondern als Aufforderung zum Nachdenken verstehen. Und ganz gewiss hat Fakler derartige Perversions-Interpretationen auch gar nicht im Sinn.

Auch wenn man die Charakterschwächen der aufgeführten Imperatoren, Kaiser, Partei- und Volksführer aufführt, so bleiben abschließende Urteile immer fragwürdig. Zum einen strotzt die Geschichte vor Falschberichten, Fälschungen, Interpretationen und Unterdrückungen, was ganze Bücher füllen kann, zum anderen können wir uns kaum in historische Situationen hineindenken oder wirksame Lehren aus der Geschichte ziehen. Schon immer ging es um „Köpfe“ – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Keiner der Großen, der nicht auch ein „persönliches“ Todesurteil ausgesprochen und zu vertreten hätte. Wie soll sich z.B. jemand entscheiden, der als gefeierter Führer im Jahr 1790 vor dem Volk steht? Weiter Hinrichtungen fordern oder sofortiges Abrüsten befürworten? So oder so läuft das dann letztlich auf die Varianten „Versager“ oder „Verräter“ – und ggf. eben dann auch auf Tote hinaus. Auch der Rückzug in die eigene Gartenlaube hilft da geschichtlich nicht wirklich weiter.

Die Krux bei angestrebten Änderungen in Herrschaftsstrukturen ist immer, dass sie nie ohne Druck und Gewalt zustande kommen. Schon im Bauernkrieg mussten die Bauern erfahren, wie selbst auf harmloseste Forderungen (eigenen Priester wählen zu dürfen) die Herrschenden reagierten. Das Dumme ist dabei eben, dass stets Gegendruck entsteht und somit der Weg zu einem gänzlich friedlichen Miteinander oft verbaut ist. Bei allem gibt es immer „Gegner“ und dann kommt es auf die Umstände an, wie der Konflikt gelöst werden kann. Keiner der Macht hat, gibt sie freiwillig her, da er sofort mit einer „Abrechnung“ rechnen muss. Früher musste ein Herrscher spürbare Gewalt anwenden, wenn er etwas erreichen wollte. Heute kann sich eine politische Führung einfach über den Willen der Mehrheit hinwegsetzen – oder mit einem überlegenen Aufgebot Widerstand unterdrücken. Immerhin kann man aber erkennen, wer am nachdrücklichsten gegen die Menschlichkeit verstößt. Aber das sieht man eben nur bei den Siegern, die gestalten. Was die jeweiligen Verlierer mit gewonnener Macht gemacht hätten, kann man allenfalls spekulativ beantworten.

Dies muss ich kritisch anmerken, denn die Welt und die Anforderungen sind durchaus nicht immer, aber oft sehr komplex. Was wir aber – und das auch mit diesem Buch – lernen können, ist, wie es eben gewalttätig und inhuman gelaufen ist. Dabei sind keine einfachen Antworten möglich. Wichtig ist, sich aber immer der humanen Werte zu versichern. Die Aufklärung ist weit über ihren anti-religiösen Ansatz hinaus gescheitert, weil die Menschen nur selten als Individuum die Geschicke bestimmen, sondern die Massen agieren und als solche manipuliert werden. Heute mehr denn je. Was wir auch mit diesem Buch aber lernen können, ist vielleicht den unheilvollen Größenwahn bei „Führern“ aller Sorten und deren Glorifizierung rechtzeitig wahrzunehmen. Die Welt und das Geschehen bestimmen heute ein Trump, ein Kim, ein Erdogan – von Afrika, Vorderem Orient oder Südamerika erst gar nicht zu reden.

Leider ist nicht ersichtlich, dass auch aus der Geschichte irgendetwas Grundlegendes gelernt worden wäre. Korruption, Manipulation, Größenwahn, Hybris, Machtwahn usw. die schon alle „Großen“ in der Vergangenheit auszeichneten bleiben uns heute überwiegend in Systemen und Herrschaftsstrukturen erhalten.

Was wir auch begreifen können, dass die Verfolgung einzelner, wie sie der Autor auflistet, inzwischen zu einem Massenphänomen geworden ist. Man feiert einen Journalisten, der aus der Türkei offensichtlich aufgrund eines „Gegengeschäfts“ freigekommen ist, ignoriert dabei allerdings allein dort über hunderte andere zu Unrecht verfolgte und geht alles in allem zur Tagesordnung über. Erich Maria Remarque ließ in seinem Roman trotz erbitterter Stellungskämpfe im Ersten Weltkrieg vermelden: „Im Westen nichts Neues!“ Sicherlich hat sich vieles verbessert, und in unseren Breiten (!) muss man nicht täglich um Leib und Leben bangen und ist nicht mehr herrschaftlicher Willkür ausgeliefert, aber hinsichtlich der Manipulation der Menschen muss es heißen: Nein, „Auf der Welt nichts Neues!“

Auch wenn dem Einzelnen in unserer Gesellschaft immer weniger Bedeutung zukommt und damit die Chancen auf grundlegende Veränderung gegen Null tendieren: Man sollte nicht nachlassen, Informationen aufzunehmen und seine eigene Werteskala zu justieren. Dazu liefert Fakler mit seinem Buch ein lesenswertes Werk. Es ist ein Beitrag der Aufklärung und des Humanismus.

Zitat S.145:

„Wer gefährlichen Unsinn nicht kritisiert, macht sich schuldig an zukünftigen Generationen, denn es ist die Denkweise, die unheilvolles Handeln rechtfertigt.“