
Ertränkt, gerädert, verbrannt.
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Hexen[1]

Bericht in der Südwestpresse vom 25.07.2015
In Rottweil sollen die Hexen rehabilitiert werden; ein Professor aus Konstanz behauptet, dass die Hexenverbrennungen im Mittelalter nichts mit der Kirche zu tun hatten.
Hier meine Antwort
Die Aufarbeitung des Hexenwahns und die Rehabilitation der unschuldigen Opfer sind überfällig, zumal heute noch in Afrika und Indien jährlich Hunderte wegen Hexerei getötet werden. Ich möchte hier aber vor allem der Ansicht widersprechen, dass die Kirchen nichts mit diesem Wahn zu tun hatten.
Die Kirchen hatten zur Zeit des Hexenwahns praktisch die absolute Herrschaft im ganzen Abendland und wollen heute nichts mit dieser Finsternis zu tun haben? Der mittelalterliche Hexenwahn hat seine Ursachen in der christlichen Theologie, in der „Sündhaftigkeit der Frau“. Auch der christlich-jüdische Geisterglaube, der in der Bibel, im Alten wie im Neuen Testament, allgegenwärtig ist, dürfte wesentlich zum Hexenwahn beigetagen haben. Dort wimmelt es von Teufeln und bösen Geistern. Schon im Alten Testament steht: 2 Mos 22:17 “Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen”. Damit wird das irrationale Denken und Handeln vorbereitet. Aus unvernünftigem Denken entsteht unvernünftiges Handeln. Der Hexenwahn wurde durch die geistigen Führer der Kirchen: Augustinus, Thomas von Aquin, Luther, Calvin …fest in den Köpfen der Gläubigen verankert. Noch heute werden in der kath. Kirche böse Geister durch extra ausgebildete Exorzisten mit Gebeten und Weihwasser ausgetrieben. Den Körper zu verbrennen, damit wenigstens die Seele gerettet werde, hielt man damals für effektiver.
1484 veröffentlichte Papst Innozenz VIII. seine „Hexenbulle“ und warnt zum Schluss jedermann unter Androhung schrecklicher Strafen, der von ihm befohlenen Hexenausrottung entgegenzutreten.
Die Dominikaner Heinrich Kramer und Jakob Sprenger schrieben mit dem „Hexenhammer“ 1489 die Gebrauchsanleitung zur Hexenverfolgung.
Erste Hexenverbrennungen fanden im Mittelalter statt: Kirchenväter wie Augustinus 354–410 und Thomas von Aquin 1225–1284 schufen mit ihren Lehren über Teufelspakt und Dämonologie das geistige Fundament für die Hexenbulle Papst Innozenz’ VIII. von 1484 und den „Hexenhammer“ von 1487. Schon 1252 erlaubte Papst Innozenz IV. die Folter gegen Ketzer – also auch gegen vermeintliche Hexen.
Die Wurzeln von Inquisition, Folter und ersten Hinrichtungen liegen im Mittelalter 500–1500. 1275 wurde in Toulouse mit Ágnes de Castelnau eine der ersten dokumentierten „Hexen“ hingerichtet. 1375 taucht in der Schweiz erstmals der Begriff der „Erzketzerei der Hexen“ auf. Größere Verfolgungswellen begannen im Wallis 1428–1430 und in Savoyen ab etwa 1430.
Hier ist eine übersichtliche Zeitleiste der frühen Hexenprozesse in Europa, vor dem Beginn der großen Hexenverfolgungen (also bis ca. 1450).
Sie umfasst die frühesten belegten Hinrichtungen, die Entwicklung der kirchlichen Lehre, und die ersten großen Serienverfolgungen.
ZEITLEISTE DER FRÜHEN HEXENPROZESSE (ca. 1200–1450)
Gregor IX., 1227-1241, gab als erster Papst den Befehl zur Hexenverfolgung. Unter seinem Pontifikat fand in der Gegend von Trier der erste Hexenprozess statt. Das ist umstritten.
1200–1300: Anfänge der neuen Zaubereivorstellungen
- 1230er–1250er – Inquisition beginnt in Südfrankreich mit ersten Verfahren gegen „Zauberer“, aber noch keine Hexen im späteren Sinn.
- 1275, Toulouse – Erste dokumentierte Hinrichtung einer Frau wegen Zauberei in Westeuropa (Frankreich).
1300–1350: Erste belegte Hexenhinrichtungen im Heiligen Römischen Reich
- 1308, Schönenberg bei Bonn – Eine der frühesten belegten Hinrichtungen wegen Zauberei im Reich.
- 1314, Konstanz – Frau wird wegen Zauberei verbrannt.
- 1324–1325, Kilkenny (Irland) – Prozess gegen Alice Kyteler, einer der berühmtesten frühen Hexenprozesse; sie entkommt, aber ihre Magd wird verbrannt.
- 1330er – Vereinzelte Prozesse im süddeutschen Raum; Dokumentation sehr spärlich.
1350–1400: Übergang zur Idee des Teufelspakts
- 1370er–1380er, Bern – Erste Verfahren gegen angebliche Schadenszauberer in der Schweiz.
- In dieser Zeit entwickelt sich langsam die Vorstellung vom Bündnis mit dem Teufel, aber noch nicht flächendeckend.
1400–1420: Vorstufen der systematischen Verfolgung
- 1409, Luzern – Ein Prozess wegen Magie; noch nicht typisch für die spätere Hexenjagd.
- 1420 – In Gelehrtenkreisen kursieren neue Theorien über Hexenflug und Teufelspakt.
1428–1436: Die erste große Hexenverfolgung Europas
Walliser Hexenverfolgungen (Schweiz / Oberwallis)
- 1428 – Beginn einer systematischen und massenhaften Hexenjagd.
- 1428–1430 – Hunderte Menschen werden gefoltert, verurteilt und verbrannt.
Dies gilt als erste große Hexenverfolgung Europas und Wegbereiter der späteren Panik.
1430–1450: Ausbreitung der Hexenlehre
- 1430er, Savoyen – Prozesse infolge der Walliser Verfolgungen; starke Ausweitung der Hexenlehre.
- 1440er, Italien (Norditalien) – Zunehmende Hexenprozesse in der Lombardei.
- 1440–1446, Heidelberg / Kurpfalz – Frühe Sammelprozesse; der Hexenbegriff verfestigt sich.
- 1450 – In vielen Teilen Mitteleuropas sind die Grundelemente des späteren Hexenglaubens (Teufelspakt, Hexenflug, Sabbat) etabliert.
🟩 Zusammenfassung
- Vor 1300: erste Ansätze, kaum Hinrichtungen.
- 1300–1400: erste Einzelfälle von Hinrichtungen im Reich.
- 1428–1430: erste große Hexenverfolgung im Alpenraum.
- Ab 1450: der klassische Hexenglaube formt sich, die Voraussetzungen für die großen Hexenpaniken des 16. und 17. Jahrhunderts entstehen.
Die Erz / Bischöfe von Salzburg, Würzburg, Trier, Bamberg… ließen hunderte von Frauen, Männern und Kindern als Hexen verbrennen.
Fürstabt Honorius von Schreckenstein hat 1775 im Stift Kempten die letzte Hexe in Deutschland verurteilt.
Rühmlich sollen hier aber auch zwei Kirchenmänner genannt werden, die sich im Kampf gegen den Hexenwahn mutig hervorgetan haben: Friedrich Spee und Anton Praetorius.
Leserbrief im Tagblatt am 25.8.2014
Ausstellung in der Kunsthalle: Macht Herrschaft Freiheit
Beim Betrachten der aktuellen Ausstellung in der Kunsthalle kam mir vor dem Bild Albrecht Dürers „Vier Frauen = vier Hexen“ der Gedanke: Hat Dürer mit diesem Bild einen Beitrag zum Hexenwahn geleistet? Schließlich wird damit die Existenz von Hexen bestätigt…mehr noch, er zeigt, dass Hexen aussehen können wie ganz normale Frauen. Künstler waren oft Handlanger der Mächtigen. Sie haben einen wesentlichen Beitrag geleistet zur Verdummung der Massen und zur Glorifizierung diktatorischer Herrschaft.
Die Position der Reformatoren zur Hexenverfolgung
Auch die drei Reformatoren haben alle in einer Zeit gelebt, in der der Glaube an Hexerei sehr verbreitet war, und sie selbst teilten diesen Glauben.
Martin Luther (1483–1546)
- Luther glaubte an die Existenz von Hexen und sah sie als Werkzeuge des Teufels.
- Er verstand Hexerei als eine reale und gefährliche Form des Pakts mit dem Teufel.
- Er bejahte, dass sie mit dem Tod bestraft werden sollten.
Beispiele aus seinen Äußerungen:
„Die Hexen sind die Huren des Teufels, die ihm den Hintern küssen und mit ihm Buhlen treiben.“
(Predigt, 1526)
„Man soll sie ohne Weiteres töten, denn sie schaden viel, so ist’s auch befohlen im Gesetz Gottes.“
(Tischreden)
- Luther bezog sich gern auf die Bibelstelle Exodus 22:17 („Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen“) als Legitimation der Todesstrafe.
Er war also grundsätzlich für die Todesstrafe gegen Hexen und trug zur theologischen Rechtfertigung solcher Verfolgungen bei.
Johannes Calvin (1509–1564)
- Calvin war ebenfalls überzeugt, dass Hexerei real sei und eine schwere Gotteslästerung darstelle.
- Er hielt die Todesstrafe für zwingend gerechtfertigt.
In seinen „Instituten“ (Institutio Christianae Religionis, 1559) schrieb er:
„Die Hexerei ist ein Pakt mit Satan, wodurch der Mensch sich ihm weiht und Gottes Ehre raubt. […] Deshalb muss sie mit Recht mit dem Tode bestraft werden.“
- In Genf wurden unter Calvin Hexenprozesse geführt (er selbst war nicht immer unmittelbar beteiligt, unterstützte aber das Vorgehen).
- Calvin betonte, dass Hexerei „Gotteslästerung“ sei und die Gemeinschaft vergifte.
Ulrich Zwingli (1484–1531)
- Zwingli teilte ebenfalls den damaligen Hexenglauben.
- Er forderte, dass Hexerei streng bestraft werden müsse.
Beispielzitat aus einer Predigt (1520er Jahre):
„Es ist wider Gott und sein Wort, wenn man die Zauberer lässt leben.“
- In Zürich wurden unter seinem Einfluss Hexen verfolgt, wenn auch weniger spektakulär als in späteren ländlichen Schweizer Regionen.
- Zwingli hielt Hexerei für eine klare Übertretung der göttlichen Ordnung und ein Verbrechen gegen die Gemeinschaft.
Fazit
Alle drei Reformatoren glaubten an die Realität von Hexerei und unterstützten ihre Verfolgung. Sie sahen sie als Teufelswerk, das mit dem Tod bestraft werden müsse – biblisch begründet, besonders mit Verweis auf Exodus 22:17.
Luther: dämonischer Pakt, Todesstrafe klar gefordert.
Calvin: schwere Gotteslästerung, ausdrücklich für Todesstrafe.
Zwingli: strenge Bestrafung, auch Todesstrafe biblisch begründet.
Die Reformatoren haben somit leider mit dazu beigetragen, die Hexenverfolgungen ihrer Zeit theologisch zu rechtfertigen. Solange man die Bibel für das unveränderliche Wort Gottes hielt, hatte sie verheerende Wirkung.
Siehe auch Hexenprozesse auf dieser Seite
