„Ze Rusten an des Kuniges Straß“
Tagblatt 24.03.2003 (kj)
REUSTEN Von der vorzeitlichen Siedlung bis hin zum Kalksteinbruch aus den 60er Jahren: Hobbyhistoriker Roland Fakler führte am Samstag Nachmittag gut zweieinhalb kurzweilige Stunden lang durch Reustens bewegte Geschichte.
Am heutigen Rathaus ging es los, über die Kelterkirche aus dem 18. Jahrhundert, die mittelalterliche Zehntscheuer, und schließlich hinauf auf den Kirchberg sozusagen zurück in die Ortsgeschichte hinein. Die ältesten Siedlungsspuren, so Fakler, wurden 1921 auf dem Kirchberg ausgegraben. Auf der Ostseite des Berges, dem heutigen Friedhof gab es von etwa 5000 bis 800 vor Christus Siedlungsplätze, das fanden Tübinger Archäologen heraus. Ihre Funde wie Steinwerkzeuge und Knochengeräte sind im Tübinger Schlossmuseum ausgestellt. In römischer Zeit verlief eine der wichtigsten Verbindungsstraßen von Rottenburg nach Pforzheim über den Reustener Wolfsberg. Den Weg da hinauf ersparte Fakler seinen Zuhörern; heute sind davon keine Spuren mehr sichtbar. Bis 1806 behielt die Straße – in einer Urkunde wird „Rusten an des Königs Straß“ dadurch beschrieben ihre Bedeutung, dann wurde sie nach Entringen verlegt. Wann die Reustener ihre Berge verlassen und sich im Tal angesiedelt haben, kann man heute schwer sagen. Möglich ist, dass schon die Alemannen (260 bis 745 nach Christus), von denen man am Kirchberg Gräber fand, an der Ammer wohnten. Sie waren es jedenfalls, die Reusten seinen Namen gaben: „Rusto“ ist ein alemannischer Vorname. Ins Tal umziehen musste auch die mittelalterliche Heiligkreuz Kapelle auf dem Kirchbcrg. 1753 war sie so baufällig, dass sie geschlossen wurde. Um nicht jeden Sonntag bis zur nächsten Kirche in Poltringen laufen zu müssen, funktionierten die Reustener ihren alten Weinkelter in die heutige Kelterkirche um, in die sie Gemälde und Kruzifix aus der Berg-Kirche integrierten. Geschichte zum Anfassen gab es in der Wintergasse: Jürgen Parchem zeigte seine Sammlung alter Küchen- und Arbeitsgeräte, im liebevoll renovierten Fachwerkhaus. Der 47-Jährige teilt mit Fakler das Interesse an Erinnerungsstücken und Geschichtsorten. Dreschflegel, Butterformen und ein Kohle-Bügeleisen gab es da, das einer Teilnehmerin dann gar nicht so historisch vorkam: „Ja so eines hat meine Großmutter noch gehabt.“ Alltagsgeschichte wusste Fakler auch aus dem Mittelalter zu erzählen: Da war der Druck des Lehenszinses, des Zehnten, den die Grundherren vom Kloster Bebenhausen an der Zehntscheuer von den Bauern abliefern ließen.
Oder das – 1998 liebevoll renovierte – Backhaus neben der Kirche: Einst Treffpunkt und Feuerschutz für die Häuser zugleich.
Den gut 20 geschichtsinteressierten Spaziergängern bot Roland Fakler, auch mit eigenen Bildern von Reusten, einen bunten Rundumschlag von der Vorgeschichte bis in den eben vergangenen Alltag.