Geschichte
Gedanken über die Geschichte
von Roland Fakler
Die Geschichte sollte uns ein Lehrbuch sein. Dieses Lehrbuch hat aber einen Schönheitsfehler: es zeigt uns vor allem wie Menschen falsch gehandelt haben. Um in Zukunft anders und besser zu handeln brauchen wir also noch unsere Vernunft, unsere Fantasie, unsere Kreativität und unsere Wertvorstellungen von einer besseren und humaneren Welt.
Wenn man nun die Geschichte seit zehntausend Jahren betrachtet, fällt es schwer zu glauben, dass der Mensch das Werk eines weisen Gottes ist oder dass ein weiser Gott die Weltgeschichte lenkt. Viel wahrscheinlicher scheint es, dass er sich aus der Tierwelt entwickelt hat, denn wie dort geht es auch in der Menschheitsgeschichte vor allem um Fressen und Gefressenwerden. Dabei muss man den Tieren zugute halten, dass wohl kein Schwein jemals auf die Idee käme einem anderen unter Mordandrohungen seinen Glauben oder seine Ideologie eintrichtern zu wollen. Das schaffen nur die Menschen.
Andere starke Männer sind umgekehrt von ihren Mitmenschen verfolgt, (Mohammed), gedemütigt, (Jesus) abgelehnt (Cezanne) worden. Viele große Künstler waren zu ihren Lebzeiten keineswegs erfolgreich, (Mozart, Schubert) .Viele sind in den Alkohol geflüchtet (Turner, Toulouse-Lautrec), viele sind in geistige Umnachtung gefallen (Nietzsche, Hölderlin) und viele haben sich das Leben genommen (Van Gogh, Kleist,).
Nach ihrem Tod sind sie dann gefeiert worden. Wie soll man sich das erklären?
Da ich selber ein starker, aber gebildeter und liebenswürdiger Mann, ohne diktatorische Absichten bin, und auch eine sehr schwierige Entwicklung hinter mir habe, glaube ich etwas zur Erhellung des Problems beitragen zu können. Mir geht es darum zu erklären und aufzuklären, um das Wissen über den Menschen, vor allem über den starken Menschen zu mehren. Dieses Wissen ist sehr wichtig, um einerseits Katastrophen zu verhindern und andererseits einen Weg zu zeigen, wie man Stärke in Persönlichkeit umsetzt. Das ist mein Thema.
Schon in der Schule ist mir bewusst geworden: die ganze Misere der Weltgeschichte liegt eigentlich darin begründet, dass diejenigen, die die Weltgeschichte entscheidend geprägt haben, die Herrscher, Diktatoren, Ideologen und auch die Religionsstifter, nicht groß genug waren, um etwas Gutes machen zu können, d.h. sie waren nicht so groß, dass man hätte zu ihnen kommen können, dass man sie hätte haben wollen. Sie wirken nicht befreiend, sondern bedrückend. Sie wirken nicht tolerant, sondern diktatorisch. Sie wollen die Gleichschaltung aller Gehirne, nicht den mündigen Menschen.
Die wichtigsten Eigenschaften, die ein Starker braucht, damit er keine Katastrophe verursacht, ist Selbstbeherrschung, Selbsterkenntnis und Ausdauer bei einer einsamen Lebensweise. Meist ist der Starke es der die Spielregeln des Kampfes bestimmt, zumal die anderen nur auf ihn reagieren und ihn nachahmen.
Ich kann vor der Diktatur starker Männer nur warnen, weil ich selber weiß wie verrückt es in so einem Gehirn zugeht, und weil ich die Taten oder besser die Untaten starker Männer aus der Geschichte kenne.
Obwohl ich nämlich sehr nachdenklich und vernunftorientiert bin, musste ich jahrelang durch eine ganz finstere Gedankenwelt hindurchgehen. Damals etwa zwischen meinem 20. und 30. Lebensjahr hatte ich einen absoluten Größenwahn. Mein Gehirn wurde in Tag- und Nachtträumen von Kampf- und Gewaltszenen beherrscht. Ich kann darüber heute nur noch den Kopf schütteln, aber ich musste hindurch. Da ich Ähnliches auch von anderen erfahren habe, z.B. von Goethe oder Shakespeare, glaube ich, dass das nicht nur etwas mit der Beschaffenheit meines Gehirns zu tun hat, sondern dass ich damit eine Aussage über die Beschaffenheit und die Gefahren des menschlichen Gehirns an sich mache. Andere erleben diese Aggressionen vielleicht in anderer oder abgeschwächter Form. Ich würde die Phase treffend: Kampf-Krieg-Tod Phase nennen. Neben Kampf und Krieg spielt auch der ständige Gedanke an den Tod eine wichtige Rolle. (Todessehnsucht Jesu)
Jeder starke Mann ist zunächst mal ein großes Problem, ein Problem für sich und für seine Mitmenschen. Man täusche sich nicht, es wird immer wieder starke Männer geben und dieses Problem wird immer wieder auftreten.
Wie lässt es sich lösen?
Wenn einer sehr stark ist, gibt es eigentlich nur einen richtigen und unzählige falsche Lebenswege. Der richtige Weg ist, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und ein auf sich konzentriertes Leben zu führen. Ich lebe seit fast fünfzig Jahren, viele Stunden am Tag mit Ohrenpfropfen, meist auf dem Rücken liegend. Das ist die stärkste Lebensweise, die ich mir denken kann und das ist die Lebensweise, bei der ich mich am schnellsten zu einer Persönlichkeit entwickle. In dieser Lage ist mein Gehirn so angespannt, wie das im Stehen oder Sitzen nie der Fall ist. So und nur so kann man es vielleicht schaffen, den Streit zu beenden. Der geht nämlich solange bis es einer geschafft hat so groß zu werden, dass man ihn will , bzw, dass man zu ihm kommen kann. Erst dann kann er etwas Gutes und Dauerhaftes machen.
Aber wer hat das geschafft? Wer hält das aus?
Ich halte es auch für gefährlich einem Mann wie Napoleon, der in erster Linie eine gesamteuropäische Sauerei angerichtet hat, ein Denkmal zu setzen. Das könnte einen Hitler dazu verführt haben zu glauben, dass er noch ein größeres Denkmal bekommt, wenn er noch größeres Unheil anrichtet. Ähnliches gilt für Friedrich den Großen, der aus reiner Hab- und Machtgier mitten im Frieden Kriege angezettelt hat, denen Tausende junger Männer, Frauen und Kinder zum Opfer gefallen sind. Man dürfte ihm kein Denkmal setzen, sondern müsste ihm nachträglich den Prozess vor einem Kriegsverbrechertribunal machen.
Natürlich müssen wir die Vergangenheit aufarbeiten, aber nicht nur die Nazivergangenheit, sondern die ganze Vergangenheit. Es darf in Deutschland nie wieder eine Inquisition, eine Gestapo oder eine Stasi geben. Die Menschen sollen frei von Furcht reden und glauben können was niemandem schadet.
Der Wahnsinn der Weltgeschichte besteht darin, dass immer einer oder eine Partei oder eine Religion versucht hat allen Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben und zu denken haben. Die Lösung heißt Toleranz in einer pluralistischen Gesellschaft. Die Menschen sind eben nicht gleich, sondern verschieden. Sie können auf sehr verschiedene Weise glücklich werden und weil wir Vieles nicht wissen, sondern nur vermuten können, muss es ja wohl auch erlaubt sein, verschieden zu denken. Wer alle Menschen unter einen Hut bringen möchte vergewaltigt den besten Teil, nämlich diejenigen, die ihre Eigenart haben und selbständig denken.
Die Furcht ist eine schlechte Begleiterin, wenn es darum geht den richtigen Weg oder die Wahrheit zu finden. Leute, die die Hölle, das KZ oder die Stasi fürchten reden anders als sie denken. Diktatoren können sich oft deswegen nicht richtig einschätzen, weil die Menschen aus Furcht oder Unmündigkeit anders reagieren, als es ihnen zumute ist. Bei vielen denkenden Menschen lässt es sich schwerlich machen, dass alle gleich denken. Gleiches Denken lässt sich nur erreichen, wenn einer diktiert und die anderen aufhören zu denken. Propaganda ist immer verdächtig: was überzeugt, muss nicht eingetrichtert werden.
Jede Diktatur ist schlecht. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass selbst die Diktatur des Roland Fakler schlecht wäre.
Die Gründung der UNO, die Charta der Vereinten Nationen und die Errichtung des internationalen Gerichtshofes in Den Haag sind große Fortschritte in der Geschichte der Menschheit. Kriegsverbrecher glauben nicht an einen göttlichen Richter, deswegen ist es wichtig, dass sie mit realen irdischen Strafen für ihre Taten büßen müssen. Es müssen Werte und Ziele aufgestellt werden. Die Welt darf nicht mehr einfach dem Zufall und der Willkür Einzelner überlassen werden.
Die freiheitliche Demokratie bietet die beste Garantie dafür, dass nicht mehr ganze Völker der Machtgier einzelner größenwahnsinniger Diktatoren geopfert werden. Die Geschichte Deutschlands nach dem Krieg ist eine Erfolgsgeschichte. Die Demut weist oft bessere Wege als die Überheblichkeit. Die Demokratie ist die Staatsform in der sich ein starkes Individuum am besten entfalten kann. Schwachen Menschen bereitet die Orientierungsvielfalt in einer multikulturellen Gesellschaft eher Unbehagen. Die Abgeordneten in einer Demokratie sind aber auch nicht so unabhängig wie sie gerne glauben möchten. Sie müssen an ihre Parteikarriere, an Interessenverbände und an die nächsten Wahlen denken. Deswegen muss es auch unabhängige Geister, die Künstler und Schriftsteller geben. Schriftsteller sind Weichensteller. Leider waren sie selber oft Opfer der Propaganda (z.B. Stalins) und eignen sich höchstens noch dazu entgleiste Züge auf dem Schrottplatz der Geschichte zu entsorgen.
Der Mensch ist von Grund auf weder gut noch böse, sondern er ist schwach, deswegen ist er ein ganz großer Nachahmer im Guten wie im Bösen. Das geistige Umfeld und die Vorbilder sind entscheidend für sein Verhalten und Denken. Der erzieherische Wert eines positiven Vorbildes wiegt hundertmal mehr als ein negatives Vorbild. Wenn man einem Kind hundertmal zeigt wie die Schweine sich verhalten haben (Nazis), darf man am Ende dieser Erziehung nicht annehmen, dass sie sich jetzt in höfischer Manier benehmen. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie furzen und grunzen werden, wie die Schweine (Neonazis). Wie sonst sollten sie sich verhalten. Sie haben ja kein positives Vorbild.
Auch die Demokratie muss stark und wehrhaft sein, nach innen und nach außen. Wem an seinen Menschenrechten gelegen ist, muss Gruppierungen im Entstehen bekämpfen, die diese einschränken wollen. Man darf nicht tolerant sein gegenüber Leuten, die ihrerseits die Freiheit abschaffen wollen. Nach außen werden die Verteidigungssysteme erst dann überflüssig, wenn es eine Weltpolizei gibt. Skrupellose Diktatoren verstehen nur die Sprache der Gewalt und wenn man die nicht sprechen kann, verliert man alles was wert hat: die Freiheit, die Menscherechte, den Frieden. Die Nato hat Westeuropa während des kalten Krieges den Frieden und die Freiheit erhalten.
Die Demokratie birgt auch die Gefahr der Volksverhetzung oder Volksverführung in sich, weil die meisten Menschen in Wirklichkeit nicht stark, sondern schwach und unmündig sind. Es gab eigentlich nichts wofür man Menschen nicht begeistern konnte. Man konnte sie für den totalen Krieg genauso begeistern, wie für die Kreuzigung Jesu. Es gibt nichts Dümmeres als eine aufgehetzte Masse.
Das Ziel der Menschheit muss es sein eine gerechte und lebenswürdige Welt für alle Menschen zu schaffen. Nur das bedeutet Weltfrieden. Niemand darf mehr ausgebeutet und unterdrückt werden. Der Kapitalismus und die ungerechte Verteilung der Güter kann nicht das letzte Wort der Geschichte sein. Es darf nicht hier maßlose Verschwendung und dort Not und Hunger geben. Die Umwelt darf nicht weiter auf Kosten zukünftiger Generationen ausgebeutet und zerstört werden. Wir müssen ein stabiles Gleichgewicht anstreben, nicht Wirtschaftswachstum. Die Bevölkerungsexplosion muss gestoppt werden. Je mehr Menschen es gibt, desto schwieriger wird es eine gerechte Welt für alle zu schaffen.
Jeder soll das Recht haben über sein Leben und Denken selber zu bestimmen. Wer die Freiheit des Denkens beschränkt verhindert auch einen Fortschritt des Denkens. Jeder ist ein souveränes Individuum innerhalb einer freiheitlichen Demokratie und hat andere als souveräne, mündige Menschen zu achten. Niemand darf diktieren, alle sollen die Möglichkeit haben mitzudenken und mitzugestalten. Privilegien sind immer schlecht, am schlechtesten aber sind die, die aufgrund der Geburt gewährt werden. Der Sohn des Vaters zu sein ist kein Verdienst.
Streit wird es immer geben. Vielleicht ist es auch gar nicht wünschenswert, dass es keinen Streit mehr gibt, denn Streit kann sehr belebend und entwicklungsfördernd wirken. Entscheidend ist, wie Streit ausgetragen wird: mit Worten mit Knüppeln oder mit Bomben. Daran erkennt man das Niveau einer Kultur.
Zählmarke 7 / ID 5f3566ffef3f4c97b55d45a430f68788 / 11.01.2018
Copyright © November 1999 Roland Fakler