Herrscher mit göttlicher Legitimation?

Die Könige des christlichen Abendlandes beriefen sich zur göttlichen Legitimation ihrer Herrschaft auf eine Stelle im Brief des Apostels Paulus an die Römer Röm. 13:1-2: âJedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt ĂŒber ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden ĂŒber sich ein Urteil empfangen.â
Beispiele fĂŒr abgeschaffte oder stark reduzierte Formen des Gottesgnadentums:
FrĂŒher waren praktisch alle christlichen Monarchien Europas (âvon Gottes Gnadenâ auf MĂŒnzen und Urkunden). Heute sind sie weitgehend sĂ€kularisiert.
Die Monarchen von DĂ€nemark (protestantisch-episkopal), Liechtenstein (katholisch), Monaco (katholisch), der Niederlande (reformiert) und des Vereinigten Königreichs (anglikanisch-episkopal) fĂŒhren in ihrem groĂen Titel bis heute den Zusatz âvon Gottes Gnadenâ.
Dabei stellt sich die Frage: Warum sollte eine Familie das erbliche Recht haben, das Staatsoberhaupt zu stellen?
Die brutalsten abendlĂ€ndischen Herrscher, die sich “Könige von Gottes Gnaden” nannten
Ludwig XIV. von Frankreich (âder Sonnenkönigâ) Herrschaft âvon Gottes Gnadenâ beansprucht. Absolutist, fĂŒhrte viele Kriege, unterdrĂŒckte Protestanten (Widerruf des Edikts von Nantes). BrutalitĂ€t v.a. in Repression und Kriegspolitik.
Philipp II. von Spanien: Eiserner Katholik, verfolgte Protestanten (Inquisition, Niederlande-Aufstand). Anspruch: Gottgegebene Herrschaft. Brutale UnterdrĂŒckung der AufstĂ€nde in den Niederlanden.
Iwan IV. âder Schrecklicheâ von Russland. Zar âvon Gottes Gnadenâ. Bekannter fĂŒr seine grausame UnterdrĂŒckung (Opritschnina, Massaker von Nowgorod). Extrem brutale Herrschaftsform.
Karl V. (HRR, Spanien) FĂŒhrte viele Kriege im Namen des Katholizismus. Verfolgung der Reformation. Weniger âblutrĂŒnstigâ als andere auf dieser Liste, aber er ergriff durchaus harte MaĂnahmen im Namen Gottes.
Ferdinand II. Treibende Figur im DreiĂigjĂ€hrigen Krieg. Rekatholisierung mit Gewalt, Krieg als Gottes Werk interpretiert.
Heinrich VIII. von England Monarch âvon Gottes Gnadenâ. Exekutionen politischer Gegner, brutale Niederschlagung von AufstĂ€nden.
Die spanischen Kolonialherren allgemein herrschten âim Namen Gottesâ ĂŒber Amerika. Extreme Gewalt gegen indigene Völker.
Auch heute legitimieren sich noch einige Herrschaften mit Gott
Dabei stellen sich Fragen: Welcher Gott ist der richtige und wo ist er ĂŒberhaupt? Hat es ihn jemals wirklich gegeben?
Explizit religiös legitimiert (âvon Gottes Gnadenâ betrachten sich die Herrscher von:
Saudi-Arabien: Die Könige fĂŒhren den Titel âHĂŒter der heiligen StĂ€ttenâ. Ihre Legitimation beruht auf dem Wahhabismus und der religiösen Rolle als Verteidiger des Islams.
Iran: Der oberste FĂŒhrer (Rahbar) hat religiöse AutoritĂ€t, legitimiert durch das Prinzip der velayat-e faqih (Herrschaft des islamischen Rechtsgelehrten). Das ist eine theokratische Herrschaftsideologie.
Vatikanstadt: Der Papst gilt als Stellvertreter Christi auf Erden. Seine Herrschaft ist eindeutig religiös begrĂŒndet.
Monarchien mit religiöser / halbreligiöser Symbolik (weniger âhartâ): Vereinigtes Königreich: Der britische Monarch wird als âvon Gottes Gnadenâ gekrönt und ist Oberhaupt der Anglikanischen Kirche. Sehr formell-symbolisch heute, keine theokratische Herrschaft.
Thailand: Der König gilt traditionell als Devaraja (Gottkönig) oder Bodhisattva-Àhnliche Figur. Auch heute noch wird der König religiös verehrt, hat aber keine absolute Macht mehr.
Japan: Der Tenno (Kaiser) war bis 1945 göttlich (Abstammung von Sonnengöttin Amaterasu). Heute offiziell âSymbol des Staatesâ, die Göttlichkeit wird nicht mehr politisch beansprucht, ist aber kulturell prĂ€sent.
Marokko: Der König gilt als âAmir al-Muâmininâ (FĂŒrst der GlĂ€ubigen), religiös legitimiert durch Abstammung vom Propheten.
Ăthiopien bis 1974: Der Kaiser galt als âLöwe von Judaâ, direkter Nachfahre von Salomo und der Königin von Saba.
Herrscher der Weltgeschichte, die ihre LegitimitÀt von Gott herleiteten
- Rom: Caesar stammte angeblich von der Göttin Venus (ĂŒber Ăneas) ab. Augustus: Wurde nach dem Tod vergöttlicht. Tote römische Kaiser wurden oft zu Göttern erklĂ€rt, manche fĂŒhlten sich schon zu Lebzeiten als Götter und fĂŒhrten sich auch so auf. Nero, Caligula, Domitian, Hadrian, Elagabal…
- China â Mandat des Himmels (怩ćœ, TiÄnmĂŹng) Dynastien: Zhou bis Qing (ca. 1046 v.u.Z. â 1912 u.Z.) Idee: Der Kaiser herrscht, weil der Himmel (Tian), eine höchste moralische Instanz, ihm das Mandat gibt. Besonderheit: Das Mandat kann entzogen werden, wenn der Herrscher tyrannisch oder unfĂ€hig ist (Naturkatastrophen galten oft als Zeichen dafĂŒr).
- Ăgypten â Pharaonen als Götter oder Göttersöhne, Zeitraum: ca. 3000 v.u.Z. â 30 v.u.Z. Idee: Die Pharaonen galten entweder als Inkarnationen von Göttern (z.âŻB. Horus) oder als ihre direkten Nachkommen. Zweck: Diente der Rechtfertigung absoluter Herrschaft und zentraler religiöser Rolle.
- Japan â TennĆ (怩ç, Kaiser von Japan) als Nachfahre der Sonnengöttin Amaterasu. Idee: Der Kaiser leitet seine Abstammung direkt von der ShintĆ-Göttin Amaterasu ab. Folge: Bis 1945 galt der TennĆ als lebender Gott. Heute: Die Verfassung von 1947 entzieht ihm formale politische Macht, aber die göttliche Abstammung ist kulturell noch prĂ€sent.
- Inka â Sapa Inka als Sohn der Sonne. Idee: Der Inka-Kaiser war der direkte Sohn der Sonnengottheit Inti. Folge: Religiöse und politische Macht verschmolzen vollstĂ€ndig.
- Islamische Herrscher â Kalifen, Imame und Mahdis Kalifen (z.âŻB. Umayyaden, Abbasiden) Gaben vor, Nachfolger des Propheten Muhammad zu sein â nicht göttlich, aber religiös legitimiert.
Schiitischer Islam: Die Zwölf Imame gelten als unfehlbar und von Gott bestimmt.
Mahdi-Figuren: In verschiedenen Bewegungen (z.âŻB. im Sudan) wurden Herrscher als gottgesandte Erlöser angesehen.
- Indien â Göttliche KönigtĂŒmer (Devaraja-Konzept) Besonders in SĂŒdostasien (z.âŻB. Khmer-Reich) Devaraja: Der König ist entweder eine Inkarnation eines Gottes (z.âŻB. Vishnu, Shiva) oder wird nach dem Tod göttlich verehrt. Ziel: Legitimation und Sakralisierung der Macht.
- Afrikanische Königreiche Beispiel: Yoruba-Könige (Obas), Zulu-Könige, Ă€thiopische Kaiser Ăthiopien: Herrscher der Salomonischen Dynastie leiteten ihre Abstammung direkt von König Salomo und der Königin von Saba ab. Zulu-Könige: Wurden hĂ€ufig mit spiritueller Kraft und göttlichem Auftrag verbunden.
- Maya und Azteken â Theokratische Herrscher Aztekischer Tlatoani: Wurde als ReprĂ€sentant der Götter auf Erden verehrt. Maya-Könige: Gaben vor, göttliche Vermittler zu sein, mit Ritualen zur Aufrechterhaltung der kosmischen Ordnung.
Fazit:
Die Idee göttlicher Legitimation ist universell â sie diente in fast allen Kulturen dazu, weltliche Macht zu festigen und zu sakralisieren. Je nach Religion, Weltbild und Kultur variierte jedoch die Form: mal als Sohn Gottes, mal als AuserwĂ€hlter des Himmels, mal als Inkarnation eines Gottes.
Nachteile: Entrechtung des Volkes â WillkĂŒrherrschaft â Keine Machtkontrolle
Eine Herrschaft, die sich göttlich legitimiert fĂŒhlt, bringt erhebliche Nachteile mit sich. Hier sind die wichtigsten:
- Kritik ist Sakrileg â keine Kontrolle der Macht. Problem: Wenn der Herrscher als Gott oder Gottes AuserwĂ€hlter gilt, wird Kritik zur GotteslĂ€sterung. Folge: Keine freie MeinungsĂ€uĂerung, kein Raum fĂŒr politische Opposition oder Reformen.
- Unfehlbarkeitsanspruch fĂŒhrt zu Starrheit. Konsequenz: Göttlich legitimierte Herrscher sehen sich oft als unfehlbar oder vom Schicksal bestimmt. Risiko: Selbst offensichtliches Scheitern wird nicht anerkannt â Reformen gelten als Misstrauen gegen den âWillen Gottesâ.
- Machtwechsel wird zur Krise Warum? Wenn Macht durch göttliche Abstammung oder ErwĂ€hlung legitimiert ist, wird jeder Wechsel zur Infragestellung göttlicher Ordnung. Folge: BĂŒrgerkriege, religiöse Spannungen oder Zusammenbruch des Staates bei Thronstreitigkeiten.
- Stillstand statt Fortschritt Grund: Religiös sanktionierte Systeme neigen dazu, ĂŒberkommene Traditionen zu konservieren. Beispiel: Wissenschaft, Menschenrechte oder neue Gesellschaftsmodelle können als âgotteswidrigâ gebrandmarkt werden.
- Instrumentalisierung der Religion. Ergebnis: Die Religion wird zur MachtstĂŒtze des Herrschers â nicht zur spirituellen Orientierung der Gemeinschaft. Gefahr: Geistliche FĂŒhrer verlieren ihre UnabhĂ€ngigkeit, werden zu FunktionĂ€ren der Macht.
- Legitimationskrisen bei Katastrophen oder Niederlagen. Beobachtung: Naturkatastrophen, Hungersnöte oder Kriegsniederlagen stellen die göttliche Legitimation infrage. Folge: Plötzlicher AutoritĂ€tsverlust, soziale Unruhen oder radikale UmstĂŒrze.
- Ausgrenzung AndersglĂ€ubiger Wer nicht an den ârichtigen Gottâ glaubt oder das göttliche Mandat des Herrschers nicht anerkennt, gilt als Feind.
Folge: Verfolgung, Diskriminierung, Religionskriege.
Eine göttlich legitimierte Herrschaft ist autoritĂ€r, unflexibel und gefĂ€hrlich fĂŒr die Freiheit und PluralitĂ€t einer Gesellschaft. Die Verbindung von Religion und absoluter Macht fĂŒhrt oft dazu, dass IrrtĂŒmer nicht korrigiert, sondern vergöttlicht werden.
Der Weg zur Befreiung
Europa hat sich nicht ĂŒber Nacht, sondern in einem langen, konfliktreichen Prozess von der Herrschaft der Könige âvon Gottes Gnadenâ befreit.
Die Idee, dass die Staatsgewalt von der Zustimmung der Regierten abhĂ€ngig sein sollte, kam im antiken Athen auf und wurde dort von etwa 508 v.u.Z. bis 322 v.u.Z. mit Unterbrechungen von den wahlberechtigten BĂŒrgern praktiziert. Sklaven, Frauen und Fremde waren nicht wahlberechtigt.
Es war eine komplexe Mischung aus Ideen, Krisen, AufstĂ€nden und politischen VerĂ€nderungen, die die göttlich legitimierte Monarchie Schritt fĂŒr Schritt ablöste. Hier ist eine Ăbersicht der wichtigsten Etappen:
Ideengeschichte â Das Ende des göttlichen Absolutismus beginnt im Kopf und in den Stadtstaaten des antiken Griechenlands.
1525 Reformation und Bauernkrieg in Europa. Die absolute Herrschaft von Kirche und Adel wurde durch die Reformation gebrochen.
Die “Memminger Forderungen” der Bauern wurden zwar nicht durchgesetzt, wiesen aber als Vorbild in die Zukunft.
AufklĂ€rung (17.â18. Jahrhundert)
Kernidee: Vernunft statt göttlicher Offenbarung als Grundlage fĂŒr die Politik.
Denkende Wegbereiter waren John Locke; VolkssouverÀnitÀt, Recht auf Widerstand;
Montesquieu: Gewaltenteilung; Rousseau: Gesellschaftsvertrag
Folge: Wachsende Zweifel an der Legitimation durch Gott. Der Mensch selbst wird als TrÀger politischer Rechte verstanden. Wenn wir keine gerechte Welt schaffen, wird es keine geben.
Konflikte und Revolutionen â Wenn Gedanken zu Handlungen werden.
Englische Revolution (1640â1689) Resultat: König Karl I. wird hingerichtet, Parlamentarismus setzt sich schrittweise durch.
Wendepunkt: Die âGlorious Revolutionâ (1688) etabliert eine konstitutionelle Monarchie in England. Der König regiert nicht mehr âvon Gottes Gnadenâ, sondern mit Zustimmung des Parlaments.
Französische Revolution (1789) Sprengkraft: Der Glaube an göttlich eingesetzte Monarchen wird radikal zurĂŒckgewiesen. Folgen: Ende der Bourbonenmonarchie. Deklaration der Menschen- und BĂŒrgerrechte. Geburtsstunde moderner Republik-Ideen in Europa.
Verfassungen und SĂ€kularisierung 19. Jahrhundert: Verfassungsbewegungen in ganz Europa. Monarchen verlieren zunehmend die absolute Macht. Die BĂŒrgerliche Revolution von 1848 wurde in Deutschland zwar niedergeschlagen, aber die Ideen von einer Verfassung und von BĂŒrgerrechten blieben bestehen.
Neue Staaten (z.âŻB. Italien, Deutschland) erhalten Verfassungen â oft mit beschrĂ€nkter monarchischer Rolle.
Trennung von Kirche und Staat
SĂ€kularisierung schreitet voran (z.âŻB. Frankreich 1905: Laizismus per Gesetz).
Religion wird Privatsache, sie ist nicht mehr Grundlage staatlicher AutoritÀt.
ZĂ€sur durch den Ersten Weltkrieg (1914â1918)
Monarchien stĂŒrzen: Deutschland (Kaiser Wilhelm II. abgesetzt, 1918) Ăsterreich-Ungarn (Zusammenbruch, 1918) Russland (Zar Nikolaus II. wird 1917 gestĂŒrzt).
Die âGottgesandtenâ verlieren ihre Throne.
Demokratie als neues Legitimationsprinzip
VolkssouverÀnitÀt ersetzt die göttliche Gnadenwahl.
Wahlen, Verfassungen und Grundrechte bilden die neue Ordnung.
In vielen LĂ€ndern Europas sind Monarchen heute nur noch symbolisch â ohne politische Macht.
Fazit:
Die Befreiung Europas von der Herrschaft der Könige âvon Gottes Gnadenâ war kein einziger Umsturz, sondern ein langes Ringen zwischen Kirche und Staat, König und Volk, Tradition und AufklĂ€rung. Sie gelang durch Bildung und kritisches Denken, mutige Revolutionen, institutionelle Reformen, sowie eine allmĂ€hliche Trennung von religiöser und politischer Macht. Europa wurde damit politisch sĂ€kular â und öffnete den Weg fĂŒr moderne Demokratien ohne göttliche Legitimation.
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Kurze Zusammenfassung
Herrschaft âvon Gottes Gnadenâ â historische Formen, Kritik und Ablösung
1. Biblische Grundlage
- Römer 13,1â2:
âJedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt ĂŒber ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet âŠâ
- BegrĂŒndung: Widerspruch gegen die Obrigkeit = Widerspruch gegen Gottes Ordnung.
2. âVon Gottes Gnadenâ in Europa
2.1 FrĂŒher
- Fast alle christlichen Monarchien Europas fĂŒhrten den Titel âvon Gottes Gnadenâ (auf MĂŒnzen, Urkunden).
- Legitimation: Gott habe ihnen angeblich die Herrschaft verliehen.
2.2 Heute
- Meist sÀkularisiert.
- Nur symbolisch erhalten, z.âŻB. im Titel:
- DĂ€nemark (protestantisch-episkopal)
- Liechtenstein (katholisch)
- Monaco (katholisch)
- Niederlande (reformiert)
- Vereinigtes Königreich (anglikanisch-episkopal)
Kritische Frage: Warum sollte eine Familie ein âerbliches Rechtâ auf das Amt des Staatsoberhaupts haben?
3. Beispiele brutaler Herrscher âvon Gottes Gnadenâ
- Ludwig XIV. (Frankreich)
- Absolutist, Widerruf Edikt von Nantes â UnterdrĂŒckung Protestanten.
- Philipp II. (Spanien)
- Inquisition, Aufstand in den Niederlanden blutig niedergeschlagen.
- Iwan IV. âder Schrecklicheâ (Russland)
- Grausame UnterdrĂŒckung, Massaker von Nowgorod.
- Karl V. (HRR, Spanien)
- Ferdinand II.
- DreiĂigjĂ€hriger Krieg, gewaltsame Rekatholisierung.
- Heinrich VIII. (England)
- Exekution politischer Gegner.
- Spanische Kolonialherren
- Gewaltsame Missionierung und UnterdrĂŒckung indigener Völker.
4. Heute noch religiös legitimierte Herrschaften
4.1 Explizit religiös
- Saudi-Arabien
- âHĂŒter der heiligen StĂ€ttenâ.
- Legitimation: Wahhabismus.
- Iran
- Oberster FĂŒhrer mit religiöser AutoritĂ€t (velayat-e faqih).
- Vatikanstadt
- Papst als Stellvertreter Christi.
4.2 Mit religiös-symbolischer Legitimation
- Vereinigtes Königreich
- Monarch/in als Oberhaupt der Anglikanischen Kirche.
- Thailand
- König als Devaraja (Gottkönig-Àhnliche Verehrung).
- Japan
- Kaiserliche Abstammung von der Sonnengöttin Amaterasu.
- Marokko
- König als âAmir al-Muâmininâ (FĂŒrst der GlĂ€ubigen).
- Ăthiopien (bis 1974)
- Kaiser als Nachfahre Salomos und der Königin von Saba.
5. Göttliche Legitimation weltweit (historische Beispiele)
5.1 China
- Mandat des Himmels (TiÄnmĂŹng)
- Himmel verleiht Legitimation â kann aber bei schlechter Herrschaft entzogen werden.
5.2 Ăgypten
- Pharaonen als Götter oder Göttersöhne.
5.3 Japan
- Kaiser als Nachfahre Amaterasus â bis 1945 als Gottkaiser verehrt.
5.4 Inka-Reich
- Sapa Inka = Sohn der Sonne (Inti).
5.5 Islamische Herrscher
- Kalifen: Nachfolger des Propheten (nicht göttlich, aber religiös legitimiert).
- Schiitische Imame: von Gott bestimmt und unfehlbar.
- Mahdi-Bewegungen: gottgesandte Erlöser.
5.6 Indien / SĂŒdostasien
- Devaraja-Konzept:
- König als Inkarnation eines Gottes (z.âŻB. Vishnu, Shiva).
5.7 Afrika
- Yoruba-Könige, Zulu-Könige, Àthiopische Kaiser.
- Kombination von weltlicher und spiritueller Macht.
5.8 Mesoamerika
- Azteken: Tlatoani als ReprÀsentant der Götter.
- Maya-Könige: göttliche Vermittler.
6. Kritik an göttlicher Legitimation
- Entrechtung des Volkes
- Kritik = Sakrileg
- Keine Meinungsfreiheit, keine Opposition möglich.
- Unfehlbarkeitsanspruch
- Keine Reformen, keine Lernprozesse.
- Krisen bei Machtwechsel
- Thronstreitigkeiten, BĂŒrgerkriege.
- Stillstand statt Fortschritt
- Wissenschaft und Menschenrechte als Bedrohung gebrandmarkt.
- Instrumentalisierung der Religion
- Religion als MachtstĂŒtze.
- Legitimationskrisen
- Naturkatastrophen, Niederlagen â AutoritĂ€tsverlust.
- Ausgrenzung AndersglÀubiger
- Diskriminierung, Verfolgung, Religionskriege.
7. Europas Weg aus der göttlichen Legitimation
7.1 Ideengeschichte
- 1525: Reformation und Bauernkrieg â Beginn der Kritik.
- AufklĂ€rung (17.â18. Jh.)
- John Locke: VolkssouverÀnitÀt, Widerstandsrecht.
- Montesquieu: Gewaltenteilung.
- Rousseau: Gesellschaftsvertrag.
- â Vernunft statt göttlicher Offenbarung.
7.2 Revolutionen und politische UmbrĂŒche
- Englische Revolution (1640â1689)
- Parlamentarismus, âGlorious Revolutionâ â konstitutionelle Monarchie.
- Französische Revolution (1789)
- Ende des Glaubens an göttlich eingesetzte Könige.
- ErklĂ€rung der Menschen- und BĂŒrgerrechte.
7.3 Verfassungen und SĂ€kularisierung
-
- Jh.: Trennung von Kirche und Staat.
- Monarchen verlieren absolute Macht.
- Laizismus in Frankreich (1905).
7.4 Erster Weltkrieg als ZĂ€sur
- Sturz vieler Monarchien:
- Deutschland, Ăsterreich-Ungarn, Russland.
- Demokratie ersetzt Gottesgnadentum.
8. Fazit
- Göttliche Legitimation diente ĂŒberall zur Festigung weltlicher Macht.
- Nachteile: Machtmissbrauch, fehlende Kontrolle, Stillstand, Verfolgung.
- Europas Befreiung:
- Bildung, AufklÀrung, Revolutionen, Reformen.
- Trennung von Religion und Staat.
- Ergebnis: Moderne Demokratie auf Basis von VolkssouverÀnitÀt und Menschenrechten.